„Wir
standen östlich von Schloß Landreville. Vor uns der Hazoiswald, von wo man das
Hintergelände beim Feind einsehen konnte. Einige schöne Spätherbsttage
verliefen ohne Störung. Da fielen eines Nachmittags einige Schüsse in unsere
Nähe, ein Flieger stand über uns. Dann wurde es wieder ruhig. Wir gaben uns der
Hoffnung hin, nicht erkannt worden zu sein.
Da
begann es am Abend des 31. Oktober im ganzen Abschnitt sehr lebhaft zu werden.
Auch über unsere Stellung ging Schuß auf Schuß hinweg. Die Verbindung zur
Unter-gruppe war bald unterbrochen. Die Infanterie ließ mitteilen, sie rechne am
Morgen mit einem Angriff. Zwei unserer Kanoniere brachten die Nachricht. Sie
erzählten, sie seien kaum durch das stark beschossene Zwischengelände
hindurchgekommen. Das half aber nichts: einer der beiden mußte mit einem
anderen Kameraden den schweren Weg wieder antreten. Ihr Ziel erreichten sie
nicht mehr, sie fielen in die Hände der vorrückenden Amerikaner. Wir in der
Batteriestellung spürten in allen unseren Nerven den kommen-den Angriff. So
mancher Großkampftag lag schon hinter uns; aber diesmal war es an-ders. Es
fehlte die Verbundenheit mit der Infanterie und das Vertrauen auf ihre
Wider-standskraft. Schweigend lagen und saßen wir in unseren Löchern. Langsam
rückte die Nacht voran, bald mußte der Morgen kommen. Der eine oder andere war
nun doch eingeschlafen; wir andern, abgestumpft und müde, dösten vor uns hin.
Da, mit einem Schlag fahren wir alle auf, dann stehen wir einige Sekunden wie
gelähmt. Ein ungeheu-res Getöse hat eingesetzt, schwere Einschläge in der
Batterie. Ein Donnern und Krachen vor uns, hinter uns, zur Rechten, zur Linken.
In der Luft pfeift es, gurgelt es, heult es, Geschoß auf Geschoß zieht über uns
hinweg. Der Boden wankt und zittert. Ohne Kom-mando stehen die Bedienungen an
den vier Geschützen. Und dann beginnen diese in den Morgen hinein nochmals im
wilden Sperrfeuertempo Granaten gegen den Feind zu schleudern, den sie in
seiner Übermacht nicht mehr aufhalten können. Von vorn keine Nachricht, von
hinten keine Befehle! Die Ungewißheit sollte diesmal nicht lange dau-ern. Bald
nachdem es Tag geworden, ging Infanterie aufgelöst durch unsere Stellung
zurück. Der Feind sei längst im Hazoiswald. Wir mußten also mit der Entfernung
abbre-chen. Im Wald glaubten wir noch unseren Nachtbeobachter Unteroffizier
Meister mit zwei Meldegängern. Warum kam er nicht auf die Batterie zurück? Erst
nach Monaten erfuhren wir, daß er dort mit einem seiner Begleiter geblieben war.
In der Batterie sah es inzwischen übel aus, besonders beim rechten Zug.
Granatloch an Granatloch, umherge-schleuderte Munition, in den schwer
gefährdeten Unterständen einige Schwerverwun-dete, die nicht weggebracht werden
konnten. Es kamen nur noch einzelne Infanteristen durch unsere Stellung, wir
wußten, vor uns wird kein Widerstand mehr geleistet, unsere vier Haubitzen
stehen nun in vorderster Linie.
Der
Batterieführer, Leutnant Mosthaf, schlug einem mit seiner Mannschaft
zurückge-henden M. G.-Offizier vor, mit uns zusammen ein Widerstandsnest zu
bilden. Das Ma-schinengewehr wurde links von der Batterie aufgestellt, die Leute
legten sich nieder; als aber Leutnant Mosthaf nach wenigen Minuten vom rechten
Flügel zurückkam, waren unsere Kampfgenossen verschwunden. Wir waren auf uns
selbst gestellt! Von der hinter uns stehenden 1. Batterie kommt die Nachricht,
links von uns habe der Gegner unsere Höhe schon erreicht. Nicht lange darauf
kam Maschinengewehrfeuer von links rück-wärts. Noch immer lag das feindliche
Feuer auf unserer Stellung, vor uns war noch kein Amerikaner zu sehen. Waren
wir nach hinten schon abgeschnürt? Leutnant Mosthaf läßt zum Sprengen der
Haubitzen alles zurecht machen. Noch feuern die Geschütze, aber heil sollen sie
dem Amerikaner nicht in die Hände fallen. Das Maschinengewehr steht schußbereit
links vorwärts der Batterie. Wie sieht es rechts aus? Der Batterieführer will
nach dieser Seite selbst erkunden. Da schlägt eine Granate vor ihm ein und
verwundet ihn an Kopf und Bein. Den am Boden Liegenden zieht Unteroffizier
Pflüger zwischen der in Brand geratenen Munition heraus, in einem Granatloch
bei der 1. Batterie wird er verbunden, da kommt wieder eine Granate und
verwundet seine beiden Begleiter. Von Leuten der 1. Batterie wird er
zurückgebracht. Die 8. Batterie kommandiert nun Leut-nant Beck.
Die
Lage ist verzweifelt. Der Amerikaner kommt jetzt von vorn und von beiden
Seiten. Das Artilleriefeuer hat aufgehört, dafür pfeifen jetzt die M.
G.-Geschosse. Der alter-probte Unteroffizier Ginader fällt. Ein dumpfer Knall,
ein-, zwei-, drei, viermal: die 8. Batterie hat ihre vier Haubitzen gesprengt.
Von Deckung zu Deckung geht, was noch an Mannschaften da ist, zurück. Nur beim
Maschinengewehr liegen noch Leutnant Beck mit einigen Mann, sie feuern so lange
es geht. Die Stellung ist abgeschnürt und wird genommen, die kleine Schar beim
Maschinengewehr und die Schwerverwundeten fallen in die Hand der Amerikaner.
Der Kampf ist aus.“
aus: „Das Württembergische
Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929
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