Sonntag, 18. Oktober 2015

18. Oktober 1915



„Pozarevac ist ein kleines Landstädtchen, das auf seiner Ostseite von prachtvollen Weinbergen umgeben ist. Die Trauben hingen noch überall am Stock und waren dieses Jahr besonders schön.
Als am Abend des 14. Oktober die Kompanien des I. und II. Bataillons durch die Berge südlich der Stadt rückten, sah man manchen „Heilbronner“ mit einem Helm voll Beeren die Nebenhänge heransteigen. Manch einer wird wohl hierbei an den „Herbst“ im Neckartal gedacht haben.
Von der sogenannten Cacalica-Höhe aus hat man eine prächtige Aussicht nach allen Seiten. Im Westen und Osten ziehen sich die Randgebirge, die das Morawa- und Mlawa-Tal abschließen, in schwarzen Bergketten von Nord nach Süd. Von den beiden Bergketten herüber bis zum Beschauer auf Cacalica dehnen sich in den Niederungen der Flüsse weite Maisfelder, deren dürre Stengel und Blätter in der Abendsonne das ganze Tal in einem dämmrigen Violett schimmern lassen. Nach Süden wächst der Höhenzug, auf dem das Regiment seither vorgerückt war, im weiter, sich allmählich verbreiternd. Im Norden zeigt die Donau als glänzender Silberstreifen des Berglandes Grenze.
Von Pozarevac führt eine Kleinbahn vom Morawa- nach dem Mlawa-Tal und durch-schneidet den Höhenzug etwa südlich der Cacalica-Höhe. Diese Bahn die in einem tief eingeschnittenen Tal verläuft, trennte die serbischen und deutschen Stellungen nach der Einnahme von Pozarevac.
Der Feind hatte hier die allen Füsilieren, die jene Kämpfe mitgemacht haben, wohl-bekannte Höhe 213, östlich des Dorfe Lucica, festungsartig ausgebaut und wartete den weiteren Angriff der 105. Division ab.
Der am 17. Oktober ausgegebene Divisionsbefehl ordnete an, daß das Füsilier-Regiment im Morgengrauen des 18. mit seiner gesamten Infanterie sich bis an den Bahndamm im Tal vorschieben sollte, so daß es bei Hellwerden dort zur Durchführung des weiteren Angriffs bereitstand. Dies war deshalb besonders nötig, weil die Hänge, die von Norden her zum Bahneinschnitt herunterführten, und die von den Kompanien überschritten werden mußten, bei Tag vom Feind völlig eingesehen waren und unter heftigem Feuer lagen.
Nach eingehender Vorbereitung durch die Artillerie sollte dann vom Bahndamm aus der Angriff gegen die Höhe 213 durchgeführt werden.
Die feindlichen Stellungen waren stark und durch breite Drahthindernisse geschützt. Auf dem höchsten Punkt der Höhe 213 war die Stellung zu einem Erdwerk ausgebaut, das wiederum mit besonderen Hindernissen und mit Schießscharten versehen war. Die Drahtverhaue waren in niedrigen, breiten Gräben angelegt und von ferne daher nur teilweise sichtbar.
Zur Vorbereitung für den Angriff war die gesamte Artillerie der Division auf den Höhen bei Pozarevac in Stellung gebracht worden. Gute Beobachtung erleichterte das Ein-schießen. Der Feind schoß schon an den Tagen vor dem Angriff auf einzelne Leute mit Schrapnells und Granaten.
Es schien den Serben dieses Mal mit dem Widerstand ernst zu sein.
Am 18. Oktober, 3 Uhr morgens, begann das Vorarbeiten des in vorderer Linie einge-setzten I. und III. Bataillons. In kleinen Abteilungen schoben sich die Kompanien an den Bahndamm heran. Rechts lag Regiment 129, links 21. Letzteres hatte den Befehl, im Laufe des Angriffs den feindlichen Ostflügel vom Talgrund her zu umfassen. Die Ausführung dieses Auftrags ist leider nicht voll gelungen.
Schon bei Tagesanbruch eröffnete der Feind mit schwerer und Feldartillerie auf die am Bahndamm liegenden Kompanien des Regiments ein heftiges Feuer. Aus der Hauptstel-lung des Gegners schlug Infanterie- und Maschinengewehrfeuer gegen die Bahnlinie, ohne vorläufig viel zu schaden.
Sobald die zunehmende Helligkeit unserer eigenen Artillerie eine Beobachtung ermög-lichte, eröffnete sie auf der ganzen Front das Feuer gegen die feindlichen Gräben, was zu Folge hatte, daß der Gegner größtenteils das Infanterie- und Maschinengewehrfeuer aus der Hauptstellung einstellte.
Sofort begann jetzt das I. und III. Bataillon mit dem Angriff. Das Vorrücken konnte aber nur sehr langsam vor sich gehen. Denn das Vorgelände vor der feindlichen Stellung war fast völlig eben und ohne jede Deckung. Nur eine lichte Akazienreihe zog sich vor der Front der 11. und 12. Kompagnie entlang. Einzeln sprangen die Füsiliere vor, hier und dort eine Falte im Gelände oder eine Ackerfurche ausnutzend.
Trotz unseres starken Artilleriefeuers erwachte das feindliche Gewehrfeuer gegen ½9 Uhr wieder. Besonders das Erdwerk auf 213 spie Tod und Verderben. Dort schien auch eine gut eingebaute serbische Nahkampfbatterie zu stehen, die das ganze Vorgelände beherrschte.
Es wurde Nachmittag, bis sich die vordersten Kompanien des Regiments auf Sturment-fernung an den Feind herangearbeitet hatten. An vielen Stellen waren schon empfind-liche Verluste entstanden. Noch immer schlug bei jedem Versuch, in größeren Abtei-lungen zu stürmen, ein vernichtendes Feuer aus den Schießscharten der feindlichen Stellung. Die Punkte der feindlichen Gräben, auf denen hauptsächlich das deutsche Artilleriefeuer lag, räumte der Serbe vorübergehend dadurch, daß er seine Truppen nach rechts und links verschob und durch flankierendes Kreuzfeuer die entblößten Graben-teile schützte. Die Kampfart des Gegners an diesem Tag war für die Verteidigung mustergültig.
Gegen 3 Uhr nachmittags befahl Oberst von Triebig den Einsatz des bisher in Reserve liegenden II. Bataillons auf der ganzen Front des Regiments, um den langsam erlahmen-den Angriff wieder vorzureißen. Das war von Erfolg.
Als es dämmrig wurde, hatte sich der rechte Flügel des Regiments, vor allem die 1. Kompanie, auf etwa 80 Schritt an die feindlichen Gräben herangearbeitet. Noch immer schoß der Feind wütend auf die Angreifer. Aber bei einbrechender Dunkelheit drangen vom I. Bataillon Abteilungen in der Stärke von etwa zwei Kompanien  mit einem energischen Vorstoß in den feindlichen Graben ein und warfen die Serben hinaus. Die Folge war, daß ein vom III. Bataillon unternommener Angriff auf dem linken Flügel des Regiments ebenfalls glückte. Gegen 8 Uhr abends war das Füsilier-Regiment im Besitz der ganzen feindlichen Stellung.
Die Serben fluteten auf die nächste südliche Höhe zurück. Der 18. Oktober hatte den Füsilieren wieder einen vollen Sieg gebracht. I. und III. Bataillon besetzten die Höhe 213. II. Bataillon wurde als Reserve ausgeschieden.“



aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

1 Kommentar:

  1. sehr schöner Blog, der Style passt auch gut zu dem Thema *Daumen hoch liest sich sehr gut

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