Mittwoch, 29. November 2017

29. November 1917


„Die Kampfhandlungen auf dem rechten Piaveufer führten am 21. November zur Erstürmung des Fontana Secca, doch es war unmöglich, von dort her noch weiter gegen das Grappamassiv vorzustoßen. Auch die mit ungeheurem Schneid durchgeführte Er-stürmung des Spinuccia durch das württembergische Gebirgsbataillon erzwang nicht die Zurücknahme der italienischen Linie auf dem Pallone und die italienischen Batterien schossen immer heftiger gegen unsere Stellungen auf dem Tomba und gegen die im Querobecken aufgestellten Batterien. Da sich nun allmählich der Bewegungskrieg zum Stellungskampf entwickelte, mußte natürlich von der Artillerie die vorderste Linie unse-rer Infanterie genauer erkundet werden. Es wurden daher fast täglich Offizierspatrou-illen mit einem kleinen Stab von Telephonisten auf das jenseitige Piaveufer geschickt, um auf dem Tomba sich umzuschauen, oder aber von den vordersten eigenen Stellungen bei Sperrfeuerproben die Lage der Schüsse genau zu beobachten. Morgens in aller Frühe gingen die Patrouillen los, da zu Beginn der Morgendämmung das feindliche Feuer etwas nachließ. Auf dem über den Piave bei Segusino führenden Steg waren die Pio-niere an der Arbeit, um die Schäden, die durch das nächtliche Artilleriefeuer entstanden waren, auszubessern. Man schlängelte sich auf den losen Brettern zwischen Tragetier-kolonnen hindurch, unter sich den rasch dahinrauschenden, tiefgrünen Piave, und war froh, wenn man auf dem andern Ufer den steilen Bahndamm erklettert hatte. Dann folgte eine lange, unangenehme Strecke auf dem Bahndamm selbst, entlang dem Piave. Der ganze Damm war vom Feinde eingesehen und zahlreiche Kadaver von Tragetieren ließen darauf schließen, daß die Italiener diesen Zufahrtsweg scharf überwachten. Im Süden glänzten die zerschossenen Trümmer der kleinen Kapelle von S. Sebastiano, wo lange Zeit einige italienische Geschütze standen: Rechts davon noch im Schatten la der dunkle Tombakamm. Bei Faveri war die über den Tegorzo führende Brücke wieder instand gesetzt, doch lagen auch dort meistens zerfetzte Tragetiere, so daß man unwill-kürlich den Schritt beschleunigte. Das Kirchlein von Faveri, das wie auf einer Insel etwas höher als der Ort selbst lag, war fast nicht beschädigt, umso schlimmer aber sah es im Ort selbst aus, der nur noch einen Trümmerhaufen bildete. Nun ging es steil zwischen einzelnen Kastanienbäumen am Hange in die Höhe. Links unten in der Schlucht lag eine zerschossene österreichische Gebirgsbatterie, die von den Italienern beim Versuch auf dem Tomba in Stellung zu gehen, überrascht und vollständig ver-nichtet worden war. Nur nicht zu lange hinsehen! Weiter oben wurde der Kamm flacher, man suchte sich durch die zerstörten Drahthindernisse mühsam den Weg und strebte der Kammhöhe selbst zu, wo unsere vorderste Linie sein sollte. Die letzten 50 Meter lief man etwas schneller, bis man den Graben erreichte. Allerdings darf man sich unter Graben nicht etwas vorstellen, was nach den schönen Abbildungen in Zeitschriften in der Regel als Graben bezeichnet wird. Es war mehr eine Art von Verbindung von einzelnen Löchern, die teils durch Granaten, teils von Menschenhand hergestellt waren. Dort hausten in bescheidenster Weise unsere Infanteristen. Die Reserven lagen weiter rückwärts in geschützteren Lagen. Unsere vorderste Linie lief dem Tombakamm entlang bis zu dem östlichen Ausläufer des Monfenera. Von dort führte die schmale Postenkette an dem zur Piave abfallenden Hang steil hinunter nach Sengie zu, wo die Jäger des Alpenkorps Wache hielten. Der Tombakamm, sowie der Hang des Monfenera gehörten zu unserem Zielabschnitt und mußten daher genau erkundet werden. Die Linie ist lange von unseren Truppen behauptet worden. Unsere Abteilung konnte mit sämtlichen Batterien die zugewiesenen Sperrfeuerräume leicht bestreichen und verblieb daher in ihren Stellungen im Segusinobecken.“


aus: „Die württembergische Gebirgs-Artillerie im Weltkrieg 1915-1918“, Stuttgart 1920

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