„Der
Verlust des Höhengeländes bei Paschendaele ließ der oberen Führung keine Ruhe.
Denn wer dieses besaß, dem lag der Gegner voll eingesehen zu Füßen. Für den
Morgen des 3. November wurde die Durchführung eines Angriffsunternehmens
(„Hubertusׅ“) der 39. Inf.-Division zur Wiedergewinnung der Höhen westlich
Paschendaele befohlen. Die erforderlichen Vorbereitungen (Erkundungen,
Bereitstellung weiterer Minenwerfer usw. in den beteiligten
Regimentsabschnitten hatten schon am 2. November begonnen. Als Angriffstruppen
waren bestimmt im Abschnitt A Mitte: 2
Stoßtrupps Inf.-Regts. 172, II./132, 10 Stoßtrupps des Sturmbataillons 4; im
Abschnitt A Süd: III./126, 8 Stoßtrupps des Sturmbataillons 4, sowie 1
Offizier, 60 Mann der Sturmabteilung der 39. Inf.-Divi-sion.
Die
Nachbardivisionen (rechts 5. bayer. Res.-Div., links 11. bayer. Inf.-Div.) hatten
Anweisung erhalten, das Unternehmen außer durch Artillerie auch durch M.-G. und
Vorstöße von Stoßtrupps, namentlich beim rechten Flügelregiment im Abschnitt B,
zu unterstützen.
Das
Angriffsziel, die Linie Turmhof – Eckartsgrund – Steinhof, sollte sofort nach
Ge-winnung unter Vorschieben einer Vorfeldzone als Hauptwiderstandslinie
eingerichtet werden.
Unserem
III. Bataillon fiel hierbei die Strecke etwa 250 m östlich des Hauses
Eckarts-grund bis Steinhof zu, mit einer von diesem Hause auf den Punkt „10 km“
an Straße Paschendaele – Bahnhof Kerselaerehoek verlaufenden Sicherungslinie.
Die
Angriffsbataillone sollten nach entsprechender Artillerievorbereitung in zwei
Wellen vorstoßen; die erste Welle, dabei die Sturmtrupps, den Feind überrennen,
die neue Hauptwiderstandslinie erreichen und von dort aus sofort mit
Fliegertüchern ausge-rüstete Sicherungen vorschieben. Die zweite Welle hatte in
der bisherigen vordersten Linie der Engländer liegenzubleiben, das Kampffeld
von feindlichen Nestern zu säubern und sich bereitzuhalten, feindlichen
Angriffen im Gegenstoß zu begegnen. Die Stoß-trupps des Inf.-Regts. 172 waren
dem II./132 zu einem Vorstoß in nord-südlicher Richtung von Turmhof aus, diejenigen
der Sturmabteilung der 39. Inf.-Division unserm III. Bataillon zur Sicherung
seiner linken Flanke und zum Vorgehen über Steinhof in Richtung auf Punkt „10
km“ unterstellt.
Die
Nacht zum 3. November nahm, abgesehen von sehr heftigem Störungsfeuer des
Engländers, das unsere 1. Kompagnie zwang, von Osthof bis hinter die Straße
Potte-gemsgut – Moorslede auszuweichen, und auch den andern Kompagnien des II.
und I. Bataillons Verluste brachte, einen verhältnismäßig ruhigen Verlauf.
Infolgedessen konn-te auch die Bereitstellung der Angriffstruppen planmäßig
erfolgen. Unser II. Bataillon war angewiesen, für die in der
Hauptwiderstandslinie vorrückenden Teile des III. Bataillons durch Ausweichen
nach rückwärts, unter Umständen bis hinter die Straße Paschendaele – Moorslede,
Platz zu schaffen, dabei aber in jedem Kompagnieabschnitt während der ganzen
Dauer des Angriffs einige Schützengruppen mit M.-G. 08 als Sicherheitsbesatzung
zurückzulassen.
Gegen
4.30 Uhr früh setzte plötzlich ein 20 Minuten dauernder englischer
Feuerüberfall auf Paschendaele und das Gelände nördlich davon ein. Stärkere
kanadische Abteilungen drangen darauf überraschend in den Turmhof ein, gerieten
mit den dort bereit liegenden Stoßtrupps und anderen Teilen der 172er ins
Handgemenge, wurden aber zurückge-worfen. Leider büßten die Stoßtrupps dabei
fast alle ihre Führer ein, was sich beim späteren Angriff sehr fühlbar machte.
5.50
Uhr vormittags begann schlagartig das deutsche Vorbereitungsfeuer aus allen
Kalibern für „Hubertus“. Fünf Minuten später trat die Angriffsinfanterie an.
Auf dem rechten Flügel kam der Angriff zunächst nur bis an die Höhe bei der
etwa 300 m südöstlich vom Turmhof liegenden Weggabel vorwärts; diese Höhe mußte
gegen Mittag dem im Gegenstoß vorgehenden Engländer wieder überlassen werden.
Auch in der Mitte gewannen die von Paschendaele-Westrand in Richtung
Eckartsgrund vorstürmen-den 132er nur ganz wenig Boden. Hier wurde die zweite
Welle beim Vorarbeiten durch das stark aufgeweichte Trichterfeld von dem mit
außerordentlicher Heftigkeit ein-setzenden und unglücklicherweise sehr gut
liegenden feindlichen Sperrfeuer gefaßt und schwer gelichtet. Im Abschnitt des
Inf.-Regts. 126 hatte der Angriff gleichfalls nur teilweise Erfolg.
Die
Kompagnien der vorderen Linie, 11. mit 3 Stoßtrupps des Sturmbatls. 4 rechts,
10. mit 2 Stoßtrupps links, waren, die erste Welle dicht hinter der zweiten
folgend, 5.55 Uhr vormittags aus der Hauptwiderstandslinie vorgebrochen, um,
das englische Sperrfeuer unterlaufend, so schnell wie möglich an die englische
Sicherungslinie heranzukommen. In gleicher Weise hatte sich die Sturmabteilung
der 39. Inf.-Division aus ihrem stark versumpften Bereitstellungsraum südlich
der Eisenbahn über diese hinweg auf Steinhof vorgearbeitet.
Die
bei der 11. Kompagnie als erste Welle eingeteilten Stoßtrupps nebst zugeteilten
Schützengruppen vermochten den Widerstand der in der englischen Sicherungslinie
befindlichen M.-G.-Nester nicht zu brechen. Sie blieben noch weit vor der zu
erreich-enden Linie im Schlamm des Eckartsgrundes stecken. Die zweite Welle kam
kaum 200 m über ihre Ausgangsstellung hinaus.
Nicht
viel besser erging es der südlich von Jägerhof vorgestoßenen 10. Kompagnie. Sie
blieb zum größten Teil im versumpften Gelände nördlich und westlich Steinhof
liegen, dem vernichtenden englischen Artillerie- und M.-G.-Feuer schutzlos
preisgegeben. Lediglich die Sturmabteilung der 39. Inf.-Division und einige
Gruppen der 10. Kom-pagnie vermochten unter unsäglichen Schwierigkeiten bis zur
Straße Paschendaele – Bahnhof Kerselaerehoek vorzudringen und damit den
befohlenen Zielpunkt „10 km“ zu erreichen.
Aber
auch diese Teile der Angriffstruppe konnten sich nicht dort halten. Die 9.
Kom-pagnie, die hinter der Mitte der beiden vorderen Kompagnien über Jägerhof
folgen und sich später in deren Gefechtslinie einschieben sollte, hatte die
Hauptwiderstandslinie nicht überschreiten können. Denn die englische Artillerie
legte ungeheures Feuer mittlerer und schwerer Kaliber auf das gewonnene
Gelände, sowie auf die bisherige vordere deutsche Linie und auf die
Bereitschaften.
Vom
Bahnhof Kerselaerehoek her und von Schützennestern unmittelbar nördlich und
südwestlich Punkt „10 km“ prasselte vernichtendes M.-G.-Feuer dem linken
Angriffs-flügel in die Flanken. Englische Kolonnen wurden im Vormarsch aus
nördlicher Richtung erkannt. Da auch die Stoßtrupps der 11. bayer.
Inf.-Division im stark ver-sumpften Gelände nördlich der Eisenbahn nicht hatten
vorgehen können und somit kein Anschluß links bestand, mußte der linke Flügel
etwa 4 Uhr nachmittags auf die Aus-gangsstellung zurückgenommen werden. Die
132er und die 11./126 waren schon etwas früher in die alte
Hauptwiderstandslinie zurückgewichen.
So
endete das Unternehmen leider mit einem Mißerfolg. Die furchtbare feindliche
Waffenwirkung, die Ungunst des Geländes und der Witterung hatten sich mächtiger
erwiesen als aller Heldenmut und alle Tapferkeit der Flandernkämpfer von der
61. Brigade, die schon so manchen Angriff siegreich durchgeführt, deren Kräfte
aber nach den großen beim nun schon mehr als zwei Wochen dauernden, durch keine
Ruhepause unterbrochenen Einsatz an der Ypernfront erlittenen Anstrengungen
sich hier bei Paschendaele als nicht mehr ausreichend erwiesen hatten.“
aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment
Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929
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