Freitag, 3. November 2017

3. November 1917


„Der Verlust des Höhengeländes bei Paschendaele ließ der oberen Führung keine Ruhe. Denn wer dieses besaß, dem lag der Gegner voll eingesehen zu Füßen. Für den Morgen des 3. November wurde die Durchführung eines Angriffsunternehmens („Hubertusׅ“) der 39. Inf.-Division zur Wiedergewinnung der Höhen westlich Paschendaele befohlen. Die erforderlichen Vorbereitungen (Erkundungen, Bereitstellung weiterer Minenwerfer usw. in den beteiligten Regimentsabschnitten hatten schon am 2. November begonnen. Als Angriffstruppen waren bestimmt im Abschnitt A  Mitte: 2 Stoßtrupps Inf.-Regts. 172, II./132, 10 Stoßtrupps des Sturmbataillons 4; im Abschnitt A Süd: III./126, 8 Stoßtrupps des Sturmbataillons 4, sowie 1 Offizier, 60 Mann der Sturmabteilung der 39. Inf.-Divi-sion.
Die Nachbardivisionen (rechts 5. bayer. Res.-Div., links 11. bayer. Inf.-Div.) hatten Anweisung erhalten, das Unternehmen außer durch Artillerie auch durch M.-G. und Vorstöße von Stoßtrupps, namentlich beim rechten Flügelregiment im Abschnitt B, zu unterstützen.
Das Angriffsziel, die Linie Turmhof – Eckartsgrund – Steinhof, sollte sofort nach Ge-winnung unter Vorschieben einer Vorfeldzone als Hauptwiderstandslinie eingerichtet werden.
Unserem III. Bataillon fiel hierbei die Strecke etwa 250 m östlich des Hauses Eckarts-grund bis Steinhof zu, mit einer von diesem Hause auf den Punkt „10 km“ an Straße Paschendaele – Bahnhof Kerselaerehoek verlaufenden Sicherungslinie.
Die Angriffsbataillone sollten nach entsprechender Artillerievorbereitung in zwei Wellen vorstoßen; die erste Welle, dabei die Sturmtrupps, den Feind überrennen, die neue Hauptwiderstandslinie erreichen und von dort aus sofort mit Fliegertüchern ausge-rüstete Sicherungen vorschieben. Die zweite Welle hatte in der bisherigen vordersten Linie der Engländer liegenzubleiben, das Kampffeld von feindlichen Nestern zu säubern und sich bereitzuhalten, feindlichen Angriffen im Gegenstoß zu begegnen. Die Stoß-trupps des Inf.-Regts. 172 waren dem II./132 zu einem Vorstoß in nord-südlicher Richtung von Turmhof aus, diejenigen der Sturmabteilung der 39. Inf.-Division unserm III. Bataillon zur Sicherung seiner linken Flanke und zum Vorgehen über Steinhof in Richtung auf Punkt „10 km“ unterstellt.
Die Nacht zum 3. November nahm, abgesehen von sehr heftigem Störungsfeuer des Engländers, das unsere 1. Kompagnie zwang, von Osthof bis hinter die Straße Potte-gemsgut – Moorslede auszuweichen, und auch den andern Kompagnien des II. und I. Bataillons Verluste brachte, einen verhältnismäßig ruhigen Verlauf. Infolgedessen konn-te auch die Bereitstellung der Angriffstruppen planmäßig erfolgen. Unser II. Bataillon war angewiesen, für die in der Hauptwiderstandslinie vorrückenden Teile des III. Bataillons durch Ausweichen nach rückwärts, unter Umständen bis hinter die Straße Paschendaele – Moorslede, Platz zu schaffen, dabei aber in jedem Kompagnieabschnitt während der ganzen Dauer des Angriffs einige Schützengruppen mit M.-G. 08 als Sicherheitsbesatzung zurückzulassen.
Gegen 4.30 Uhr früh setzte plötzlich ein 20 Minuten dauernder englischer Feuerüberfall auf Paschendaele und das Gelände nördlich davon ein. Stärkere kanadische Abteilungen drangen darauf überraschend in den Turmhof ein, gerieten mit den dort bereit liegenden Stoßtrupps und anderen Teilen der 172er ins Handgemenge, wurden aber zurückge-worfen. Leider büßten die Stoßtrupps dabei fast alle ihre Führer ein, was sich beim späteren Angriff sehr fühlbar machte.
5.50 Uhr vormittags begann schlagartig das deutsche Vorbereitungsfeuer aus allen Kalibern für „Hubertus“. Fünf Minuten später trat die Angriffsinfanterie an. Auf dem rechten Flügel kam der Angriff zunächst nur bis an die Höhe bei der etwa 300 m südöstlich vom Turmhof liegenden Weggabel vorwärts; diese Höhe mußte gegen Mittag dem im Gegenstoß vorgehenden Engländer wieder überlassen werden. Auch in der Mitte gewannen die von Paschendaele-Westrand in Richtung Eckartsgrund vorstürmen-den 132er nur ganz wenig Boden. Hier wurde die zweite Welle beim Vorarbeiten durch das stark aufgeweichte Trichterfeld von dem mit außerordentlicher Heftigkeit ein-setzenden und unglücklicherweise sehr gut liegenden feindlichen Sperrfeuer gefaßt und schwer gelichtet. Im Abschnitt des Inf.-Regts. 126 hatte der Angriff gleichfalls nur teilweise Erfolg.
Die Kompagnien der vorderen Linie, 11. mit 3 Stoßtrupps des Sturmbatls. 4 rechts, 10. mit 2 Stoßtrupps links, waren, die erste Welle dicht hinter der zweiten folgend, 5.55 Uhr vormittags aus der Hauptwiderstandslinie vorgebrochen, um, das englische Sperrfeuer unterlaufend, so schnell wie möglich an die englische Sicherungslinie heranzukommen. In gleicher Weise hatte sich die Sturmabteilung der 39. Inf.-Division aus ihrem stark versumpften Bereitstellungsraum südlich der Eisenbahn über diese hinweg auf Steinhof vorgearbeitet.
Die bei der 11. Kompagnie als erste Welle eingeteilten Stoßtrupps nebst zugeteilten Schützengruppen vermochten den Widerstand der in der englischen Sicherungslinie befindlichen M.-G.-Nester nicht zu brechen. Sie blieben noch weit vor der zu erreich-enden Linie im Schlamm des Eckartsgrundes stecken. Die zweite Welle kam kaum 200 m über ihre Ausgangsstellung hinaus.
Nicht viel besser erging es der südlich von Jägerhof vorgestoßenen 10. Kompagnie. Sie blieb zum größten Teil im versumpften Gelände nördlich und westlich Steinhof liegen, dem vernichtenden englischen Artillerie- und M.-G.-Feuer schutzlos preisgegeben. Lediglich die Sturmabteilung der 39. Inf.-Division und einige Gruppen der 10. Kom-pagnie vermochten unter unsäglichen Schwierigkeiten bis zur Straße Paschendaele – Bahnhof Kerselaerehoek vorzudringen und damit den befohlenen Zielpunkt „10 km“ zu erreichen.
Aber auch diese Teile der Angriffstruppe konnten sich nicht dort halten. Die 9. Kom-pagnie, die hinter der Mitte der beiden vorderen Kompagnien über Jägerhof folgen und sich später in deren Gefechtslinie einschieben sollte, hatte die Hauptwiderstandslinie nicht überschreiten können. Denn die englische Artillerie legte ungeheures Feuer mittlerer und schwerer Kaliber auf das gewonnene Gelände, sowie auf die bisherige vordere deutsche Linie und auf die Bereitschaften.
Vom Bahnhof Kerselaerehoek her und von Schützennestern unmittelbar nördlich und südwestlich Punkt „10 km“ prasselte vernichtendes M.-G.-Feuer dem linken Angriffs-flügel in die Flanken. Englische Kolonnen wurden im Vormarsch aus nördlicher Richtung erkannt. Da auch die Stoßtrupps der 11. bayer. Inf.-Division im stark ver-sumpften Gelände nördlich der Eisenbahn nicht hatten vorgehen können und somit kein Anschluß links bestand, mußte der linke Flügel etwa 4 Uhr nachmittags auf die Aus-gangsstellung zurückgenommen werden. Die 132er und die 11./126 waren schon etwas früher in die alte Hauptwiderstandslinie zurückgewichen.
So endete das Unternehmen leider mit einem Mißerfolg. Die furchtbare feindliche Waffenwirkung, die Ungunst des Geländes und der Witterung hatten sich mächtiger erwiesen als aller Heldenmut und alle Tapferkeit der Flandernkämpfer von der 61. Brigade, die schon so manchen Angriff siegreich durchgeführt, deren Kräfte aber nach den großen beim nun schon mehr als zwei Wochen dauernden, durch keine Ruhepause unterbrochenen Einsatz an der Ypernfront erlittenen Anstrengungen sich hier bei Paschendaele als nicht mehr ausreichend erwiesen hatten.“

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

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