„Schon
der erste Tag war sehr ungemütlich. Die Artillerie beschoß überfallartig das
Dorf, die Mühle und Wegekreuzungen mit mittleren und leichten Kalibern. Der
Gegner hatte offenbar vor, die Ortschaft baldmöglichst dem Erdboden
gleichzumachen. Noch standen die Häuser und der kleine, spitze Kirchturm, aber
überall klafften schon Löcher, und die Straßen waren mit Trümmern bedeckt. Es
sprach eine haßerfüllte Absicht aus dem Feuer der Engländer. Sie schossen zu
Zeiten, in denen man es sonst nicht gewohnt war, legten auch öfters Gas
dazwischen ein, und in den Pausen kamen Flieger, die ihre Bomben warfen. Es war
durchaus nicht der gemütliche Stellungskrieg früherer Zeiten. Wir sollten keine
Ruhe haben, und jede kleinste Blöße sollte ausgenutzt werden, uns zu schaden.
Die Engländer schienen auch schon reichlich Munition zu haben, während man von
unserer Artillerie nichts verspürte. Auch die feindliche Infanterie wurde bald
viel reger als sonst. Jeden Tag fanden Kämpfe statt mit englischen Patrouillen,
die bald immer größere Kühnheit bewiesen. Zunächst galt es, die Stellung des
Gegners ausfindig zu machen. Er hatte auch noch keinen fortlaufenden Graben,
umso schwerer waren seine Posten zu finden. Jede Nacht wurden aber neue
Entdeckungen gemacht, und bald hatte man ein ziemlich klares Bild. Einen
besonderen Anziehungspunkt bildete ein Tank, der vor dem Ostausgang von Treux
lag. Leutnant Wildermuth stellte bald einen Unteroffizierposten dahinter fest, und
in der nächsten Nacht versuchte der kühne Vize-feldwebel Röhner den Posten
auszuheben. Er vertrieb ihn mit Handgranaten, konnte aber keinen Engländer
gefangen nehmen.
Die
eigene Stellung zu verbessern war äußerst schwer. Das war vielleicht das
Pein-lichste an unserer Lage. Wenn wir an unsre Frühjahrsoffensive 1915
zurückdachten, wie anders war es damals! Damals lag man mit Tuchfühlung
nebeneinander, und in einer Nacht war ein zusammenhängender Graben hergestellt.
Der Engländer feuerte damals nur mit Schrapnells, und man war völlig sicher.
Jetzt lag etwa alle 100 Schritte ein Doppelposten in einem Schützenloch und
konnte sich nicht regen. Wie sollte man da einen durchlaufenden Graben
herstellen! Und wenn man ihn hätte, so würde der Gegner nur ein schönes Ziel
für seine mittlere Artillerie haben und den Graben mit 15er-Granaten in
kürzester Zeit zermalmen. Ich weiß nicht, ob man sich diesen Unterschied völlig
klar machte. Wir konnten eigentlich 1918 nach kilometerweitem Vordringen gar
nicht wieder den Stellungskrieg aufnehmen, denn zum Stellungskrieg gehörten bei
den unheimlichen Zerstörungswerkzeugen, die der Gegner jetzt hatte,
bombensichere Räu-me, die man unmöglich da vorne herstellen konnte. In offenem
Gelände liegend, die Stäbe höchstens in einem Keller, waren wir der Vernichtung
schutzlos preisgegeben. Denn die feindliche Artillerie verstärkte sich nun
schnell jeden Tag, während unsere nur sehr geringe Tätigkeit entwickelte und
bald auch entdeckt war und täglich mit schweren Kalibern zugedeckt wurde.“
aus: „Das Württembergische
Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924
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