„In
der Nacht traf neue Munition ein, meist falsche, aber auch ein Stapel
brauchbarer Geschosse. Die Gefechtsbagagen, die Munition, Bespannungen,
Verpflegung, etwas In-fanterie und Artillerie waren in der Dunkelheit auf
unserer Notrampe, einem wackeligen Bau von Bahnschwellen zu entladen; Licht
hätte die feindliche Artillerie auf das Durch-einander gezogen und das hätte
gerade noch gefehlt. Rangiergeleise besaß Haltepunkt Rjashenoje nicht; das
Stationspersonal war geflüchtet und nur die russischen Lokomo-tivführer und
Heizer unserer bewaffneten Lokomotiven hielten aus, freiwillige, präch-tige
Burschen voll Abenteuerlust und Haß der roten Garde, die wir leider nur durch
Anerkennung und Rubel belohnen konnten. Es geht alles; die Entleerung der Züge
wurde ohne Unfall zuwege gebracht, so unmöglich das ausgesehen hatte.
In
der Frühe des nächsten Tages waren 8./L. 126 und zwei weitere Feldbatterien
ge-fechtsklar zur Stelle. II./L. 121, eben eingetroffen, verließ einige
Kilometer hinter Rjashenoje seinen Transportzug und der Regimentsstab L. 121
übernahm den Befehl. Wir griffen an: III. Bataillon frontal, II./L. 121 nach
Hakenmarsch flankierend von Os-ten her. Ein deutscher Flieger strich die
feindlichen Gräben ab und wurde wild beschos-sen; unverschämt niedrig flog der
Mann. Zwischen den in ihre Ausgangsstellungen rückenden Truppen und Kanonen
tauchten plötzlich die Männer von Rjashenoje mit ihren Viehherden auf; sie
glaubten alles vorüber. „Ihr verfluchten Kerls, wollt ihr wohl machen, daß ihr
wieder fortkommt. Gleich geht’s los!“
Die
Artillerie eröffnete den Kampf. III. Bataillon mit 8./L. 126 faßte die
Bolschewisten von vorn an; vorerst nicht zu scharf; das II. Bataillon mußte
sich erst in ihre Flanke geschlängelt haben. Am rechten Flügel trieb die
Lokomotive des Leutnant Portheine ihr Unwesen mit M.-G.-Feuer nach rechts,
links und vorwärts, das große Wort aber redete die rote Artillerie, sie beschoß
alles, unsere Schützenkette, das Hinterland, Ort Rjash-enoje, unsere Batterien,
den Regimentsgefechtsstand und auch Punkte, an denen gar nichts stand, beschoß
alles mit wütender Ausdauer. Die 10. Kompagnie wurde beim Überschreiten eines
Hügelrandes besonders heftig zugedeckt; wie durch ein Wunder traten keine
Verluste ein. Bolschewistisches Gewehr- und M.-G.-Feuer um uns; wie sie hinter
ihren Erdwällen auftauchten, abzogen und schnell den Kopf wieder wegsteckten,
die feindlichen Schützen! Unser Feuer hielt sich vorerst in Grenzen; unser
Augenblick war noch nicht gekommen.
Der
rote Stab schien auf einer der Windmühlen eingerichtet; der lebhafte Verkehr
verriet’s. Jetzt mußte er unser II. Bataillon entdeckt haben; eine Gruppe der
feindlichen Batterien drehte nach Osten ab und legte dorthin einen dicken
Feuergürtel, andere pfef-ferten weiter auf das III. und in den Ort Rjashenoje.
Ein Blick zurück. In den Dorf-straßen warteten, durch die Bauernhäuser zur Not
gegen Sicht gedeckt, unsere Bespan-nungen, M.-G.-Fahrzeuge, die Gefechtsbagagen
und Munitionskolonnen, auf engen Raum zusammengedrängt; wenn das nur gut ging!
Strohmieten und ein Gehöft standen in Flammen, schwarzer Qualm lagerte über dem
Nest, Erdfontänen spritzten überall auf. Eine Batterie galoppierte mitten durch
nach vorn; Oberleutnant Greiß wechselte die Stellung.
Mulden
und Falten benutzend hatte sich das II./L. 121 von Osten her in höllischem
Artilleriefeuer bis 10 Uhr vormittags an den rechten Feindlichen Flügel
vorgebracht und Verbindung mit der 12./L. 121 aufgenommen. Von vorn oder
flankierend, wie es kam, wurde jetzt zugepackt, die vorgeschobenen Nester des
Feindes wurden im Nahkampf überwältigt. Beim Überschreiten eines Höhenrandes
lag unversehens eine längere rote Schützenlinie senkrecht zur Front des II.
Bataillons, das ihr durch Flankenfeuer prompt den Garaus machte. Stoßtrupps
schwenkten nach seitlich gestaffelten Stellungen und hoben sie auf; der rechte
Flügel der Bolschewisten wurde zermürbt und auseinander-getrieben.
Entscheidend
griff Oberleutnant Greiß jetzt von seiner neuen Feuerstellung ein und die
lauteste der roten Batterien verstummte. Der feindliche Windmühlengefechtsstand
wur-de in Brand geschossen, der rote Stab zersprengt; unsere Artillerie riß
fühlbar die Feuer-überlegenheit an sich.
Während
III. Bataillon frontal den Sturm ansetzt, rollt das II. die feindliche Stellung
von Osten her auf. Das Gefecht hat seinen Höhepunkt erreicht, die
Maschinengewehre bei-der Seiten hämmern unaufhörlich, Geschosse und die dumpfen
Schläge der krepieren-den Granaten peitschen durch die Luft. Immer stärker
treten die deutschen Waffen her-vor, immer mehr schwächt der Gegner ab; er
weicht unter dem flankierenden Einbruch; wetterndes Verfolgungsfeuer, und er
flieht, was er laufen kann; das zerklüftete Land erleichtert ihm das Entkommen.
In einem Zug wird seine erste und zweite Stellung genommen; da und dort
flackert das Feuer gegen neuen Widerstand noch einmal auf, dann durchkämmen
unsere Schützenketten das Gebiet, Gewehre unter dem Arm, die Nase nach Süden,
sammeln Beute, machen Gefangene.
Es
ist Nachmittag geworden. Was vom Feind nicht auf dem Gefechtsfeld liegen blieb,
flüchtete in Bahnzügen nach Taganrog. Leutnant Portheine besserte die Geleise
aus und jagte ihnen nach. Mit ungeschickt angelegten und besetzten
Aufnahmestellungen der Bolschewisten beiderseits der Bahn machten seine Maschinengewehre
kurzen Prozeß und wo die nachfolgenden Kompagnien auf tote Bolschewisten
stießen, fehlte diesen die Fußbekleidung: „denen hat der Panzerzug die Stiefel
ausgezogen“ – wir brauchten das Schuhwerk, und brachte man es nicht in
Sicherheit, so nahmen es die Landesbewohner, welche die Gefallenen
grundsätzlich bis auf die nackte Haut ausplünderten.
Regimentsstab
und II. Bataillon gingen in Pokrowskaja zur Ruhe über, während III./L. 121 mit
der 1. Batt./Landw.-F.-A.-R. 1 abends Sicherungen in Linie Nowo-Troitzkoje –
Bahnhof Koschkino einnahm. Zu später Nachmittagsstunde belegte ein deutscher
Flie-ger, der anscheinend von den Vorgängen keine Ahnung hatte, unser I.
Bataillon auf Bahnhof Neklinowka mit Bomben; Leutnant Rieg wurde tödlich
verwundet.“
aus: „Das Württembergische
Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925
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