„Auf
24. April ist der Angriff befohlen; die Division greift im Verband des XIV.
Armee-Korps (243. Inf.-Division, 2258. Inf.-Division und 4.
Garde-Inf.-Division) mit dem süd-lich anschließenden XI. Armeekorps den Gegner
zwischen Straße Warfusée – Aban-court – Amiens (Römerstraße) und dem Lucebachtal
an. Der Division ist bei diesem Angriff die besondere Aufgabe gestellt, die
rechte Flanke der 228. Inf.-Division zu decken. Die Hauptlast des Angriffs der
Division ruht auf dem Regiment, während die beiden Schwesterregimenter 479 und
122 ein sehr nahes Angriffsziel haben beziehungs-weise überhaupt in ihren alten
Stellungen bleiben. Der Angriffsbefehl weist dem Regi-ment die Höhe 104, 1 km
nordöstlich Villers Bretonneux zu, eine flach ansteigende, von vielen
englischen Gräben durchzogene Kuppe, auf der durch unsere Beobachter zahlrei-che
M.-G.-Nester festgestellt sind. Unter unermüdlichen Vorbereitungsarbeiten, die
bis ins Kleinste gehen, naht der schicksalschwangere 24. April heran.
Schlagartig setzt in der Frühe dieses Tages unsere Artillerie mit ihrem
Vernichtungsfeuer auf die feindlichen Gräben und Batterien ein. Die Minenwerfer
des Regiments, unter Leutnant d. R. Kolmar zusammengefaßt, schleudern Mine auf
Mine in die nächsten Feindgräben. Zweiein-viertel Stunden tobt der Eisenhagel
auf die englischen Stellungen nieder, dann setzt sich 7 Uhr vormittags langsam
die Feuerwalze in Bewegung, hinter der unser II. Bataillon zum Sturm vorgehen
soll. Doch kaum hat sich die erste Sturmwelle aus unseren Gräben erhoben, als
von der Höhe 104 die gut versteckten, unversehrt gebliebenen englischen
Maschinengewehrnester mit wenigstens 6 – 8 Gewehren flankierend gegen die
Stürmen-den losrattern. Das Bataillon muß zähneknirschend unter empfindlichen
Verlusten wieder in die Sturmausgangsstellung zurück. Auch das Nebenregiment
rechts 479 und links 48 sind nicht vorwärts gekommen; immer und immer wieder
versuchen es die Angriffsbataillone, sich vorzuarbeiten, aber jedesmal schlägt
ihnen ein rasendes M.-G.-Feuer von der Höhe entgegen. Solange auch nur eins der
feindlichen Maschinengewehre aus so günstig überhöhend-flankierender Stellung
unsere Linien bestreicht, ist es jedem Lebewesen unmöglich gemacht, über das
zum Feind langsam und deckungslos anstei-gende Gelände vorzukommen. Der
Regimentskommandeur, Major Bürger, fordert zu-sammengefaßtes
Artilleriewirkungsfeuer auf Höhe 104 an und setzt unsere
Infanterie-Begleitbatterie, die Batterie Krauß (5./Feldart.-Regt. 238) zur
Bekämpfung der M.-G.-Nester mit direktem Schuß ein. Wiederum braust der Eisenhagel
auf die zerwühlte Höhe 104, vorzüglich geleitet von dem Kommandeur der
Nahkanpfartilleriegruppe, Haupt-mann d. R. Schlösser, mit dessen tatkräftiger
und hilfsbereiter Unterstützung das Regi-ment schon so manche harte Nuß geknackt
hat. Die Wirkung bleibt nicht aus. Als das II. Batl. gegen 11 Uhr vormittags
erneut zum Sturm antritt, zeigt es sich, daß die englischen Maschinengewehre
zum Schweigen gebracht sind, und der Angriff schreitet rasch vor-wärts.
Mittlerweile hat das südlich vorgehende Regiment 48 von Tanks und
Flammen-werfern unterstützt Villers Bretonneux genommen und fördert unsern
schwierigen An-griff gegen die Höhe 104 durch flankierendes Eindrehen nach
Norden.
Durch
die Schwenkung um den liegengebliebenen Drehpunkt bei 122, die das Regiment
während des Angriffs ausführen muß, entsteht zwischen dem Regiment und
Inf.-Regt. 8 eine große Lücke, die in schwierigster Lage durch unsere 9. und
10. Komp. geschlossen werden muß. Der pflichttreue Kompagnieführer der 9.
Komp., Leutnant d. R. Goll, findet hier den Heldentod, während der Führer der
10. Komp., Leutnant d. R. Drechsel schwer verwundet wird.
Um
die Mittagszeit hat das II. Batl. die Höhe 104 genommen und nahezu 200
Engländer mit 4 Offizieren gefangen. Doch jetzt beginnt die schwerste Aufgabe
für den Angreifer: das zu behaupten, was man in blutigem Ringen dem Feind
entrissen. Zwar hat der Engländer an diesem Tag nicht mehr die Kraft und
genügend frische Truppen, um im Gegenangriff das verlorene Gelände unseren
siegreichen Regimentern streitig zu machen, aber umso sicherer wird er in der
kommenden Nacht vorstoßen. Schon kom-men auch unsere Flieger zurück und melden,
daß sie hinter der feindlichen Front verschiedene Kolonnen aller Waffen im
Anmarsch auf die gefährdete Front gesehen hätten.
Der
Regimentskommandeur läßt höheren Orts keinen Zweifel darüber, daß die
abge-kämpften Bataillone einem energischen Gegenangriff der Engländer, wie er
zweifellos zu erwarten sei, nicht mehr standzuhalten vermögen; aber umsonst.
Schon
in der beginnenden Dämmerung beginnt der Gegner mit allen Kalibern unsere
neugewonnenen Stellungen zuzudecken und besonders die rückwärtigen Stellungen
systematisch zu behämmern. Das nervenaufreibende Feuer hält die ganze Nacht
hin-durch ununterbrochen an. Die unzulänglichen Erdlöcher werden zum Teil
eingeschos-sen, zum Teil rutschen sie durch die Erschütterung der in der Nähe
einschlagenden Granaten in sich zusammen. Gar mancher Offizier und Musketier
wird von seinen Kameraden aus solch verschüttetem Unterschlupf herausgegraben
und vom sicheren Tod des Erstickens errettet. Leutnant d. R. Warth, Führer der
4. Kompagnie, bleibt seit jenem Tag vermißt; er wurde jedenfalls, von niemand
beobachtet, verschüttet und ruht unerkannt auf jenen so heiß umkämpften Feldern
von Villers Bretonneux.“
aus:
„Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923
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