Dienstag, 24. April 2018

24. April 1918



„Auf 24. April ist der Angriff befohlen; die Division greift im Verband des XIV. Armee-Korps (243. Inf.-Division, 2258. Inf.-Division und 4. Garde-Inf.-Division) mit dem süd-lich anschließenden XI. Armeekorps den Gegner zwischen Straße Warfusée – Aban-court – Amiens (Römerstraße) und dem Lucebachtal an. Der Division ist bei diesem Angriff die besondere Aufgabe gestellt, die rechte Flanke der 228. Inf.-Division zu decken. Die Hauptlast des Angriffs der Division ruht auf dem Regiment, während die beiden Schwesterregimenter 479 und 122 ein sehr nahes Angriffsziel haben beziehungs-weise überhaupt in ihren alten Stellungen bleiben. Der Angriffsbefehl weist dem Regi-ment die Höhe 104, 1 km nordöstlich Villers Bretonneux zu, eine flach ansteigende, von vielen englischen Gräben durchzogene Kuppe, auf der durch unsere Beobachter zahlrei-che M.-G.-Nester festgestellt sind. Unter unermüdlichen Vorbereitungsarbeiten, die bis ins Kleinste gehen, naht der schicksalschwangere 24. April heran. Schlagartig setzt in der Frühe dieses Tages unsere Artillerie mit ihrem Vernichtungsfeuer auf die feindlichen Gräben und Batterien ein. Die Minenwerfer des Regiments, unter Leutnant d. R. Kolmar zusammengefaßt, schleudern Mine auf Mine in die nächsten Feindgräben. Zweiein-viertel Stunden tobt der Eisenhagel auf die englischen Stellungen nieder, dann setzt sich 7 Uhr vormittags langsam die Feuerwalze in Bewegung, hinter der unser II. Bataillon zum Sturm vorgehen soll. Doch kaum hat sich die erste Sturmwelle aus unseren Gräben erhoben, als von der Höhe 104 die gut versteckten, unversehrt gebliebenen englischen Maschinengewehrnester mit wenigstens 6 – 8 Gewehren flankierend gegen die Stürmen-den losrattern. Das Bataillon muß zähneknirschend unter empfindlichen Verlusten wieder in die Sturmausgangsstellung zurück. Auch das Nebenregiment rechts 479 und links 48 sind nicht vorwärts gekommen; immer und immer wieder versuchen es die Angriffsbataillone, sich vorzuarbeiten, aber jedesmal schlägt ihnen ein rasendes M.-G.-Feuer von der Höhe entgegen. Solange auch nur eins der feindlichen Maschinengewehre aus so günstig überhöhend-flankierender Stellung unsere Linien bestreicht, ist es jedem Lebewesen unmöglich gemacht, über das zum Feind langsam und deckungslos anstei-gende Gelände vorzukommen. Der Regimentskommandeur, Major Bürger, fordert zu-sammengefaßtes Artilleriewirkungsfeuer auf Höhe 104 an und setzt unsere Infanterie-Begleitbatterie, die Batterie Krauß (5./Feldart.-Regt. 238) zur Bekämpfung der M.-G.-Nester mit direktem Schuß ein. Wiederum braust der Eisenhagel auf die zerwühlte Höhe 104, vorzüglich geleitet von dem Kommandeur der Nahkanpfartilleriegruppe, Haupt-mann d. R. Schlösser, mit dessen tatkräftiger und hilfsbereiter Unterstützung das Regi-ment schon so manche harte Nuß geknackt hat. Die Wirkung bleibt nicht aus. Als das II. Batl. gegen 11 Uhr vormittags erneut zum Sturm antritt, zeigt es sich, daß die englischen Maschinengewehre zum Schweigen gebracht sind, und der Angriff schreitet rasch vor-wärts. Mittlerweile hat das südlich vorgehende Regiment 48 von Tanks und Flammen-werfern unterstützt Villers Bretonneux genommen und fördert unsern schwierigen An-griff gegen die Höhe 104 durch flankierendes Eindrehen nach Norden.
Durch die Schwenkung um den liegengebliebenen Drehpunkt bei 122, die das Regiment während des Angriffs ausführen muß, entsteht zwischen dem Regiment und Inf.-Regt. 8 eine große Lücke, die in schwierigster Lage durch unsere 9. und 10. Komp. geschlossen werden muß. Der pflichttreue Kompagnieführer der 9. Komp., Leutnant d. R. Goll, findet hier den Heldentod, während der Führer der 10. Komp., Leutnant d. R. Drechsel schwer verwundet wird.
Um die Mittagszeit hat das II. Batl. die Höhe 104 genommen und nahezu 200 Engländer mit 4 Offizieren gefangen. Doch jetzt beginnt die schwerste Aufgabe für den Angreifer: das zu behaupten, was man in blutigem Ringen dem Feind entrissen. Zwar hat der Engländer an diesem Tag nicht mehr die Kraft und genügend frische Truppen, um im Gegenangriff das verlorene Gelände unseren siegreichen Regimentern streitig zu machen, aber umso sicherer wird er in der kommenden Nacht vorstoßen. Schon kom-men auch unsere Flieger zurück und melden, daß sie hinter der feindlichen Front verschiedene Kolonnen aller Waffen im Anmarsch auf die gefährdete Front gesehen hätten.
Der Regimentskommandeur läßt höheren Orts keinen Zweifel darüber, daß die abge-kämpften Bataillone einem energischen Gegenangriff der Engländer, wie er zweifellos zu erwarten sei, nicht mehr standzuhalten vermögen; aber umsonst.
Schon in der beginnenden Dämmerung beginnt der Gegner mit allen Kalibern unsere neugewonnenen Stellungen zuzudecken und besonders die rückwärtigen Stellungen systematisch zu behämmern. Das nervenaufreibende Feuer hält die ganze Nacht hin-durch ununterbrochen an. Die unzulänglichen Erdlöcher werden zum Teil eingeschos-sen, zum Teil rutschen sie durch die Erschütterung der in der Nähe einschlagenden Granaten in sich zusammen. Gar mancher Offizier und Musketier wird von seinen Kameraden aus solch verschüttetem Unterschlupf herausgegraben und vom sicheren Tod des Erstickens errettet. Leutnant d. R. Warth, Führer der 4. Kompagnie, bleibt seit jenem Tag vermißt; er wurde jedenfalls, von niemand beobachtet, verschüttet und ruht unerkannt auf jenen so heiß umkämpften Feldern von Villers Bretonneux.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923

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