Samstag, 12. November 2016

12. November 1916


„Der 12. November ist einer jener klaren Sonnentage, die man am liebsten friedlicher Beschaulichkeit weihen möchte. Der Morgen läßt sich verhältnismäßig ruhig an. Der Gegner prüft mit einigen Schüssen sein Feuer, Da geht’s mittags 3.30 Uhr schlagartig los. Auf 322 steigen die Staub- und Rauchsäulen in die Höhe, schwere Schläge dröhnen weithin zu beiden Seiten der Höhe in die Regimentslinie und scheuchen die sonntäglich gestimmten Leute in harte Kampfaufregung. Und das Minenfeuer greift sofort auf die ganze Niederaspacher Stellung über bis zum Trubachgrund. Donnernd entladen sich mit hartem Krach die schweren Minen und wühlen sich in den harten Boden hinein. Die eigenen Werfer nehmen im Bund mit der Artillerie das Feuer auf die feindlichen Minenwerfer auf, von denen man bald 13 erkennen kann. Von 4 Uhr an greift die französische Artillerie ein; aus den Stellungen von Leimbach bis zum Buchwald zischen die Granaten flankierend und von vorne herbei, klatschen ihren Takt dazu und werfen neue Erdsäulen auf. 20 Minuten darauf erscheinen zwei feindliche Flieger über der Höhe 322. Sie leiten allem nach das Feuer und suchen Einblick in unsere Stellung zu gewinnen, um 5 Uhr steigt hinter Diefmatten der Fesselballon in die Höhe, schwere Batterien setzen auf die 2. Feuerlinie der Höhe ein, auf der das feindliche Feuer immer mehr sich zusammendrängt. Da wird alles bereit gestellt zum Empfang der Franzosen. Die Läufer überbringen im stärksten Feuer die Meldungen, denn die Telephonleitungen sind bald zerrissen. 5.15 Uhr setzt ein rasendes Maschinengewehrfeuer der Franzosen ein, das sie viele Tage zuvor eingeübt hatten, sie kämmen die Gräben ab, um jeden Ausblick auf ihr Vorgehen zu unterbinden. 5.40 Uhr verstummt das Minenfeuer und das Artilleriefeuer legt sich ganz auf die hinteren Linien. Jetzt müssen sie kommen. Rote Leuchtkugeln steigen aus der Pfropfenstellung auf. Da treten sie auch schon heraus aus ihren Gräben im Kreuzwald in einer Breite von 200 – 300 Meter und schieben sich gegen die Stellung auf Höhe 322 heran. Da schlägt ihnen aber die deutsche Sturm-abwehr entgegen, die Maschinengewehre feuern aus rückwärtigen Stellungen nach eingeschossenen Zielen und streuen das Vorfeld ab. Da stutzt der Angreifer und kommt nicht mehr vorwärts. Nur auf seinem rechten Flügel gelingt es einer kleinen Abteilung von 20 – 30 Mann durch einen toten Winkel an die „Pfropfenstellung“ heranzukommen, sie von der rechten Seite her zu fassen und in sie hereinzustürmen, da das Drahthin-dernis durch die Minen hier völlig weggefegt ist. Die beiden vordersten Unterstände sind verschüttet, über sie rast der Gegner weg und trifft an der Südseite auf Leutnant Kulenkampff, der hier als Zugführer die Wacht hat. Er wirft sich mit ein paar Leuten dem Gegner entgegen, schießt zwei nieder, die andern weichen im Handgranatenkampf. Kurz nach 6 Uhr bringt der Ersatzreservist Vogel dem Kompagnieführer die Meldung, daß der Angriff hier abgeschlagen ist. Unterstützung eilt nach vorne, um einem neuen feindlichen Vorstoß die Spitze nehmen zu können. Da steigen aus dem französischen Graben rote Leuchtkugeln auf und die gegnerische Artillerie läßt sofort auf der Pfropfenstellung einen eisernen Vorhang nieder, der jeden Nachstoß unmöglich macht. In dem heftigen Granat- und Minenfeuer fällt der tapfere Zugführer, neben ihm sinkt Vizefeldwebel Gabler, schwer am Kopfe verwundet. Er kann aber noch zum Kompag-nieführer sich zurückschleppen, wo er den Tod des allgemein beliebten Leutnants Kulenkampff meldet. Da flaut das feindliche Feuer ab und die Nacht breitet ihre Fittiche über das eben noch kampfdurchzitterte Gelände, in dem nun Totenruhe herrscht. Wie sieht’s aber hier aus! Die vorderste Stellung ein Trümmerhaufen, die Drahthindernisse verschwunden, die Unterstände unbrauchbar. Es gelingt rasch die noch Verschütteten auszugraben. Die Verluste sind an Zahl nicht allzugroß. Tot sind neben dem Zugführer 1 Unteroffizier und 3 brave Männer, verwundet insgesamt 33 Unteroffiziere und Mannschaften. Vermißt ist kein einziger, so daß der französische Vorstoß ohne Ergebnis für den Gegner verlaufen war. Die Sturmtruppen, die er hier eingesetzt hatte, bestanden aus jungen 24 – 25jährigen Leuten und gehörten vermutlich einem Kommando an, das überall dort eingesetzt wurde, wo es einen Vorstoß in den deutschen Graben galt. Die Franzosen suchten noch längere Zeit ihre Gräben wahrscheinlich nach Verwundeten ab.
In der Nacht selbst noch wurden die zerschossenen Gräben und Hindernisse durch ein besonderes Kommando von 30 Pionieren so weit als möglich in Stand gesetzt, was helfen konnte, half mit, eine böse Arbeit, die die hart mitgenommenen Kräfte aufs neue anspannte, ohne daß die erhoffte Ruhe nach solchem Sturm einem vergönnt ist.“


aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

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