Freitag, 15. Juni 2018

15. Juni 1918



„Im Laufe des Nachmittags wurde unser linker Nachbar abgelöst. Gegen Abend trafen auch die Vorkommandos des Res.-Inf.-Regts. 212 zu unserer Ablösung ein.
Infolge der Gefechtslage konnte die Ablösung des I. Batls. nicht sofort erfolgen. Dage-gen wurde das II. Batl. schon zwischen 9 und 11 Uhr abends herausgezogen und gelang-te nach schwierigem Rückmarsch über Le Translon – Chaudun nach Léchelle, wo es gegen 3 Uhr morgens im Eisenbahntunnel eintraf. Während so das II. Batl. wenigstens ein schützendes Dach über dem Kopfe hatte, stand das I. immer noch draußen in der Hölle des Waldes von Villers-Cotterêts. Die ganze Zeit raste das feindliche Feuer. Am Morgen des 15. folgte, nicht unerwartet, ein feindlicher Angriff. Ein schneidiger Gegen-stoß der 1. Komp. warf den Feind in seine Stellung zurück. Damit war auch dieser Kampf siegreich bestanden.
Während dieser ganzen Zeit lag der Regiments-Gefechtsstand in der Translon-Ferme unter schwerem Feuer. Kurz nach 5 Uhr früh hatte ein Geschoß schwersten Kalibers den Keller, in dem, sich der Regimentsstab mit dem zugeteilten Artilleriekommando befand, zertrümmert. Der Regiments-Kommandeur mit seinem Stab und dem der Artillerie war verschüttet. Nur den zu Hilfe eilenden Mannschaften einer Reserve-Kompagnie war es zu danken, daß die Mehrzahl der in den Trümmern Begrabenen einem qualvollen Tode entgingen. Leider hatte jedoch das zusammenstürzende Kellergewölbe schon seine Opfer gefordert. Der in allen Gefechten bewährte Regiments-Adjutant, Leutnant d. R. Grau, war mit drei braven Schützen des Stabes von den hereinbrechenden Steinmassen erdrückt worden. In wenigen Tagen hatte das Regiment zum zweitenmal seinen Adju-tanten verloren – ein tragisches Geschick!
Gegen 7 Uhr vormittags hatte das feindliche Feuer nachgelassen, so daß nunmehr auch die Ablösung des I. Bataillons erfolgen konnte. Da jedoch das Regiment nach Ablösung noch der 90. Res.-Brigade unterstand, rückte das I. Batl. zunächst in den Hohlweg nördlich  Maison Neuve-Ferme, während sich das II. Batl. für den Fall eines feindlichen Angriffs in Léchelle marschbereit hielt. Erst gegen Abend, als die Alarmbereitschaft aufgehoben wurde, rückten auch der Regimentsstab und das I. Batl. dorthin. Obwohl die Unterkunft sehr dürftig war, fühlte man sich doch nach den Schrecken des Waldkampfes hier wie in der „Etappe“. Man konnte mal wieder schlafen, ohne daß ein Ast oder Baum auf einen runterfiel, oder eine Granate einem zwischen den Beinen platzte. Auch gab es wieder warmes Essen in den kalten Magen und Wasser, um sich zu waschen.“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933


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