„Im
Laufe des Nachmittags wurde unser linker Nachbar abgelöst. Gegen Abend trafen
auch die Vorkommandos des Res.-Inf.-Regts. 212 zu unserer Ablösung ein.
Infolge
der Gefechtslage konnte die Ablösung des I. Batls. nicht sofort erfolgen.
Dage-gen wurde das II. Batl. schon zwischen 9 und 11 Uhr abends herausgezogen
und gelang-te nach schwierigem Rückmarsch über Le Translon – Chaudun nach
Léchelle, wo es gegen 3 Uhr morgens im Eisenbahntunnel eintraf. Während so das
II. Batl. wenigstens ein schützendes Dach über dem Kopfe hatte, stand das I.
immer noch draußen in der Hölle des Waldes von Villers-Cotterêts. Die ganze
Zeit raste das feindliche Feuer. Am Morgen des 15. folgte, nicht unerwartet,
ein feindlicher Angriff. Ein schneidiger Gegen-stoß der 1. Komp. warf den Feind
in seine Stellung zurück. Damit war auch dieser Kampf siegreich bestanden.
Während
dieser ganzen Zeit lag der Regiments-Gefechtsstand in der Translon-Ferme unter
schwerem Feuer. Kurz nach 5 Uhr früh hatte ein Geschoß schwersten Kalibers den
Keller, in dem, sich der Regimentsstab mit dem zugeteilten Artilleriekommando
befand, zertrümmert. Der Regiments-Kommandeur mit seinem Stab und dem der
Artillerie war verschüttet. Nur den zu Hilfe eilenden Mannschaften einer
Reserve-Kompagnie war es zu danken, daß die Mehrzahl der in den Trümmern Begrabenen
einem qualvollen Tode entgingen. Leider hatte jedoch das zusammenstürzende
Kellergewölbe schon seine Opfer gefordert. Der in allen Gefechten bewährte
Regiments-Adjutant, Leutnant d. R. Grau, war mit drei braven Schützen des
Stabes von den hereinbrechenden Steinmassen erdrückt worden. In wenigen Tagen
hatte das Regiment zum zweitenmal seinen Adju-tanten verloren – ein tragisches
Geschick!
Gegen
7 Uhr vormittags hatte das feindliche Feuer nachgelassen, so daß nunmehr auch
die Ablösung des I. Bataillons erfolgen konnte. Da jedoch das Regiment nach
Ablösung noch der 90. Res.-Brigade unterstand, rückte das I. Batl. zunächst in
den Hohlweg nördlich Maison Neuve-Ferme,
während sich das II. Batl. für den Fall eines feindlichen Angriffs in Léchelle
marschbereit hielt. Erst gegen Abend, als die Alarmbereitschaft aufgehoben
wurde, rückten auch der Regimentsstab und das I. Batl. dorthin. Obwohl die
Unterkunft sehr dürftig war, fühlte man sich doch nach den Schrecken des Waldkampfes
hier wie in der „Etappe“. Man konnte mal wieder schlafen, ohne daß ein Ast oder
Baum auf einen runterfiel, oder eine Granate einem zwischen den Beinen platzte.
Auch gab es wieder warmes Essen in den kalten Magen und Wasser, um sich zu
waschen.“
aus:
„Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933
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