„In
der Nacht vom 8./9. Oktober wurde die letzte Stellung im Argonnenwald im Wald
von Cornay nördlich der Wolfsschlucht bezogen. Damit war endlich seit Beginn
der Kämpfe wieder eine gerade, kurze Ostwestlinie in der Kampffront der
Division erreicht.
Punkt
12 Uhr nachts begann auf der ganzen Front das Abbröckeln, welches durch
geschickte Verschleierung durch M.-G.-Feuer und Handgranaten vom Feinde
unbemerkt vonstatten ging. Jedermann hatte nun genugsam erfahren, wie furchtbar
ein Rückzug war, wenn Feuer auf Weg und Steg lag; jedes verdächtige Anzeichen,
jede feige Aussa-ge eines etwaigen deutschen Gefangenen konnte den Untergang
bringen.
Bei
der allgemeinen Erschöpfung war es äußerst schwer, nochmals tüchtige, gewandte
Männer und Führer für die Nachhuten zu gewinnen, aber auch diesmal versagte die
Pflichttreue und Opferbereitschaft der schwäbischen Landwehr nicht.
Die
Nacht war stockdunkel, der Rückweg in dem schluchtenreichen, weglosen Gelände
äußerst mühevoll. Die auf der Karte eingezeichneten Schneisen waren verwachsen,
mit dem Leuchtkompaß mußte der Weg quer durch den Wald gesucht werden. Unter
Auf-bietung der letzten Kraft wurde die Gefahrzone durchschritten. Leutnant Hopf
schreibt u. a.: „Wenn ich halt machte, um mich zu orientieren, fielen die Leute
wie tot um; ich hatte Mühe, die Leute weiter zu bringen.“ Was wäre in solcher
Lage die Truppe ohne Führer gewesen!
Leutnant
Kohl erzählt: „Die 8. Kompagnie, die am Spätnachmittag des 8. Oktober hinter
der 12. Kompagnie eingetroffen war und kurz darauf schon einige blutige
Verluste erlitt, sollte einer Bahn stark nordwestlich der Nordsüdstraße entlang
in die neue Stellung einrücken. Die Linie hatte offenbar unter starkem Feuer
gelegen. Das Geleise war grau-sig schön zusammengeschossen. Widerwärtiger kann
es auch auf der so gefürchteten Nordsüdstraße nicht sein. Wir biegen in sie
ein. Vorsicht ist am Platze, das wissen wir. Aber daß wir den Gegnern geradezu
vor der Nase entlang marschiert waren, das wußten wir nicht; das hat uns im
ersten Morgengrauen der Führer eines M.-G.-Zuges erzählt, als wir uns dem
Humserberg näherten. Die Front des Feindes verlief dicht östlich der
Nord-südstraße.
Mit
anbrechendem Tag bezogen wir am 9. Oktober unsere Stellung nördlich der
Wolfs-schlucht. Wir waren übermüdet, gruben uns aber sofort ein. Aber kaum
gestattete es die Sicht, als die amerikanischen Flieger erschienen und alsbald
ein gut geleitetes Artillerie-feuer einsetzte. In einem Erdloch, das sie soeben
im Schweiße ihres Angesichts ausge-hoben hatten, wurden drei Mann, darunter der
tüchtige Sergeant Vogel* von der 1. Kompagnie, durch einen Volltreffer getötet.
Neben das Loch, in dem sich Offizier-stellvertreter Schramm einnisten wollte,
schlug eine Granate; der Bursche war sofort tot; Schramm hatte verschiedene und
schwere Verwundungen. Mit Wehmut nahm ich von dem vorbildlichen pflichteifrigen
Zugführer, der sich beinahe noch entschuldigte, daß er mich in dieser
schwierigen Lage nun verlassen müsse, Abschied. Wieder einer der alten
goldtreuen und unbedingt zuverlässigen Garde weniger! Nach fünf Tagen starb er
im Lazarett in der Kirche in St. Pierremont und wurde auf dem dortigen Friedhof
begraben. An diesem Tag verlor die schwache Kompagnie 10 Mann.“
Einsatz
der Kompagnien von rechts nach links: 7., 8., 6., 5. Kompagnie, die Abschnitte
je etwa 400 Meter breit.
Leutnant
Fritz gestattete seinen Leuten nach dem Einrücken in die neue Stellung zunächst
auszuruhen, Kaffee zu trinken und dann erst mit dem Eingraben zu beginnen. Das
rächte sich sofort, denn von 9.30 bis 2 Uhr lag starkes Feuer auf der Stellung,
namentlich eine dicht massierte Feuerwalze brachte der 6. (und 8.) Kompagnie
schwere Verluste. Leutnant Fritz schreibt: „Man glaubte, der jüngste Tag sei
gekommen.“ Bald stiegen auch die Amerikaner in Massen und mit dem üblichen
Geschrei in die Wolfs-schlucht herab. Vor der 5. Kompagnie tauchten Patrouillen
in deutschen Stahlhelmen auf. Leutnant Göbel verlangte Parole; da sie
undeutlich gegeben wurde, sprang er un-vorsichtig aus seiner Deckung und rief:
„Noch einmal.“ In demselben Augenblick krachten zwei Schüsse, die ihm den
linken Ober- und Unterarm durchbohrten und ihn nötigten, die Führung der Kompagnie
bald darauf abzugeben. Die Wut unserer Leute kannte infolge dieser Hinterlist
keine Grenzen mehr. .“
aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment
Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923
*Karl Vogel wurde am 1. Oktober 1918 zum Vizefeldwebel befördert
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