„Die
Infanteriekompagnien zählten im Durchschnitt nur 1 Offizier und 30 Mann mit 2
bis 3 leichten M.-G. 08/15; die M.-G.-Kompagnien konnten je 4 bis 5 M.-G. 08
bedienen; den Minenwerferzügen der Bataillone standen für je 2 leichte Werfer
etwa 16 Mann zur Verfügung. Rechnet man die Offiziere, die Fernsprecher und
Melder der Stäbe hinzu, so bestand die ganze „Macht“, mit der das Regiment in seine
letzte große Schlacht eintrat, aus rund 450 Köpfen.
Seit
6 Uhr vormittags belegte die Artillerie der 39. Inf.-Division die erkannten
feind-lichen Bereitstellungsräume mit Vernichtungsfeuer. Auffallenderweise
antwortete die gegnerische Artillerie fast gar nicht.
6.30
Uhr vormittags brach jedoch auf der ganzen Front gewaltiges Trommelfeuer aus
allen Kalibern, vermischt mit Nebelgranaten los. In wenigen Minuten war das
ganze Gelände bis zur Straße Meenen – Roeselaere in undurchdringlichen Nebel
gehüllte. Mit besonderer Wucht lastete das Feuer auf der Gegend der
Gefechtsstände der Kampfgrup-penkommandeure und der in ihrer Nähe liegenden
Bereitschaften und Reserven. Schon nach einer Viertelstunde versagten alle
Fernsprechverbindungen zum Regimentsge-fechtsstand am Nordausgang von Meenen.
Der Nebel machte das Erkennen von Blink-lichtsignalen ganz unmöglich.
Dichte
Massen englischer Infanterie brachen kurz vor 7 Uhr vormittags aus Gheluwe
heraus und östlich davon in südlicher Richtung vor. Sperrfeuerzeichen gingen in der vordersten
Linie hoch. Durch das furchtbare von den platzenden Artilleriegeschossen
verursachte Getöse hindurch war kurze Zeit Abwehr-Maschinengewehrfeuer hörbar.
Dann brandeten die Sturmwellen über das III. Bataillon hinweg. Nicht besser
erging es dem II. Bataillon, dessen Kompagnien aus nordwestlicher und westlicher
Richtung an-gegriffen sich wehrten, bis auch sie von der Flut verschlungen
wurden. Ihre letzten Maschinengewehre hämmerten noch, als der Feind schon tief
in ihrem Rücken stand. Der Nebel war so dicht, daß einzelne Postierungen den
Gegner erst erkennen konnten, nachdem dieser bis auf wenige Meter an sie
herangekommen war. Die ganze Front ge-riet ins Gleiten nach rückwärts. Freund
und Feind wogten, im Nebeldunst und Pulver-qualm kaum unterscheidbar, in
Richtung auf Coucou an der Straße Meenen – Wervicq und auf Meenen
durcheinander. Die Reserven warfen sich, wo sie gerade standen, dem Gegner entgegen; vergebens, das Unheil war nicht
mehr aufzuhalten.
Mit
knapper Not entging der tapfere Führer des II. Bataillons, Hauptmann d. R.
Klein dem Schicksal seiner Kameraden vom I. und III. Bataillon. Er konnte
gerade noch mit wenigen Begleitern seinen in einem Betonunterstand östlich von Hoogpoort-Hof einge-richteten Gefechtsstand
durch den einen Ausgang verlassen, als vor dem andern ein englischer
Flammenwerfertrupp erschien, dem eine mindestens 100 Mann starke Abtei-lung
folgte.
Westlich
und nordwestlich von Meenen begann der feindliche Stoß, der auch den Eng-länder
viel Blut gekostet hatte, gegen 11 Uhr vormittags endlich zu erlahmen und sich
in Einzelkämpfe aufzulösen.
Teile
der Gruppenreserve (Inf.-Regt. 134) waren dem Regiment zur Verfügung gestellt
und hielten im Norden und Nordwesten der Stadt in einer ungefähr der Eisenbahn
nach Roeselaere folgenden Linie den Gegner erfolgreich ab, der mehrfach gegen
den Nord-eingang vorzustoßen versuchte.
Unvergänglichen
Ruhm hat sich hier die 4. Batterie Feldart.-Regts. 80 erworben. Sie hielt an
der Straße nach Gheluwe so lange tapfer aus, bis die britische Sturmflut in die
Geschützstellungen vorgebrandet war. Als 10.30 Uhr vormittags die 134er
nördlich und nordwestlich von Meenen zum Gegenstoß vorbrachen, da stürmten auch
die noch kampffähig gebliebenen Batterieoffiziere mit ihren Kanonieren wieder
vor, um die Kanonen wieder zu gewinnen. Das gelang. Die Munition reichte gerade
noch aus, eine in Gegend Comerenhoek offen aufgefahrene englische Batterie in
Schach zu halten und unter den vom Gegner weiter herangeführten
Infanteriekolonnen tüchtig aufzuräumen. Die 134er mußten, nachdem ihr Gegenstoß
sie ziemlich weit über die Bahn nach Roeselaere hinausgeführt hatte, 11.30 Uhr
vormittags unter dem Druck der feindlichen Übermacht fast bis an diese Bahn
wieder zurückgehen. Damit gingen die Geschütze endgültig verloren.
Ebenso
wacker haben sich die südlich von der 4./Feldart.-Regts. 80 eingesetzten
Batte-rien (3. Feldart.-Regts. 80, 1. und 2. Feldart.-Regts. 32) gehalten, ohne
deren aufop-fernde Mitwirkung es unserem Regiment kaum möglich gewesen wäre, das
Eindringen des Engländers in den Brückenkopf Meenen bis zum Abend zu
verhindern.
Zwischen
den Straßen nach Gheluwe und Wervicq verwehrten schwache Teile fast aller
Regimenter der 61. Brigade vermischt mit solchen der 40. Inf.-Division dem hier
ziem-lich nahe an den Westrand herangekommen Feind das weitere Vordringen. Im
Südwes-ten hielt sich Hauptmann d. R. Klein mit Trümmern des I. und II.
Bataillons beiderseits de Straße nach Wervicq etwas vorwärts der Eisenbahn
Meenen – Tourcoing. Mit dem auf dem anderen Lysufer kämpfenden bayer. Res.-Inf.-Regt.
25 war vorerst noch keine Verbindung erreicht.
Das
ausgezeichnete persönliche Verhalten des genannten Offiziers verdient rühmende
Erwähnung. Immer ganz vorne, ein leuchtendes Vorbild für die Mannschaft,
erkannte er 11 Uhr vormittags, daß der Engländer von Coucou her zu einem Angriff ansetzte. Er entschloß sich,
ihm im Gegenstoß zuvorzukommen, sammelte in seiner Nähe befind-liche
Mannschaften der 6. Kompagnie und der Infanterie-Pionier-Kompagnie des Regi-ments,
zog die an der Eisenbahnbrücke über die Lys stehende, vom 5. Kürassier-Regi-ment
gestellte kleine Brückenwache, die über ein leichtes Maschinengewehr verfügte,
an sich heran und stieß mit diesen 30 Mann unaufhaltsam fast bis zu den
Gehöften östlich vom Hoogpoort-Hof vor, in denen vor Beginn des großen Angriffs
unser I. Bataillon als Reserve gelegen hatte. So viel Kraft und Kühnheit hatte
der Engländer von dem kleinen Schwabenhäuflein nicht erwartet. Er wandte sich
zur Flucht; mancher Tommy blieb im Verfolgungsfeuer liegen.
Als
erster holte Hauptmann Klein zusammen mit dem Offizierstellvertreter Bainder,
den Sergeanten Bader und Beller der Infanterie-Pionier-Kompagnie ein paar
Feinde aus einem besetzten Mebu* heraus und drang dann nach Coucou vor, wobei
er weitere 15 Gefangene machte und 4 Vickers-Maschinengewehre erbeutete.
Auch ein am frühen Morgen verlorengegangenes Tankabwehrgeschütz konnte, noch
völlig unversehrt, den Briten entrissen werden. Ein kleiner Rest der 1.
Kompagnie, Leutnant d. R. Kappler mit 2 leichten Maschinengewehren, der bis
südlich der Eisenbahn nach Wervicq abgedrängt worden war, hatte sich dem
Vorstoß angeschlossen, gleichfalls einige Gefangene ge-macht und stellte südlich
von Coucou die Verbindung mit dem bayerischen Res.-Inf.-Regt. 25 her.
Am
Nachmittag herrschte auf dem Schlachtfeld im allgemeinen Ruhe. Der Alkohol-rausch,
der die feindlichen Infanteriemassen zum rücksichtslosen Vorstürzen in den
deutschen Abwehreisenhagel hinein befähigt hatte, war verflogen. Die
Erkenntnis, daß die ausgemergelten deutschen Regimenter im offenen Felde sich
noch immer nicht so leicht besiegen ließen, wie britische Generale in
hochmütigem Stolz ihren Truppen vor-gegaukelt hatten, wirkte ernüchternd. In
einem ein paar Tage später in deutsche Hand gefallenen Befehl war ausdrücklich
empfohlen, bei Fortsetzung der Angriffe den vom Regiment 126 besetzt gehaltenen
Abschnitt nach Möglichkeit zu meiden!“
aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment
Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929
* Mebu:
Maschinengewehr-Eisenbetonunterstand
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