Sonntag, 7. Dezember 2014

7. Dezember 1914


Aus einem Brief des Leutnant d. R. Alfred Roth (II./IR 125):

„Hier steht ein Posten, dort hat ein Mann günstiges Schußfeld und feuert, dieser ißt, jener schreibt, der putzt sein Gewehr oder seine Sachen, einer sinnt in stillen Gedanken nach der Heimat, ein anderer beobachtet den Einschlag der eigenen oder feindlichen Donnerkeile, manche tauschen ihre Meinungen und Eindrücke aus oder erzählen sich von ihren seitherigen Erlebnissen – und über allem dieses nervenzerrütternde Getöse der Schlacht, das Donnern der schweren und leichten Geschütze, daß der Boden dröhnt und manche der kunstvoll in den leider nur zu leichten Sand gebauten Höhlen umfällt oder stark erschüttert wird. Gewaschen hat sich von uns seit sieben Tagen keiner mehr, heute früh aber haben wir mit Hilfe der Liebesgaben unsere Wäsche völlig gewechselt, was wohlige Gefühle weckt. Unter den Liebesgaben befanden sich auch Zigarren. Auf je 10 Mann entfallen – drei. Wie sie verteilen? Da meint einer: immer drei kriegen eine, der eine zieht, der andere schnappt nach dem Rauch, der dritte spuckt aus, der zehnte ist Nichtraucher.

Meine Ernährung besteht des Morgens aus einigen Schlucken kalten Tees oder Kaffees, des abends aus kalter Suppe. Das Essen muß aus den Feldküchen kilometerweit herangeholt werden, wobei fast stets einige Leute abgeschossen werden. Mein Schokoladevorrat ist ausgegangen, Post bekommen wir nur spärlich. In einer elenden Hütte entdeckten wir einen Kübel Sauerkraut, das uns roh und kalt ganz herrlich schmeckte.

Des Einschwärmen unserer Verstärkungen und das Überbringen von Meldungen und Befehlen war bis jetzt ungeheuer verlustreich für uns, so daß wir nur noch bei Dunkelheit und des Nachts es vollziehen. Ein Mann wurde beim Strohholen abgeschossen. Zahlreiche Tote konnten wir noch nicht begraben, weil die Gefahr dabei zu groß ist. Unteroffizier Fleck der 8. Kompagnie, ein sehr tüchtiger Soldat, von seinen Leuten sehr geachtet, weil für sie besorgt, will sich nicht davon abbringen lassen, einen gefallenen Musketier zu beerdigen. Während er das Grab auswirft, wird er heftig beschossen. Eben ist er fertig und will den Gefallenen in das Grab legen, da trifft ihn selbst das tödliche Blei. Fleck fällt in das von ihm selbst gegrabene Grab. Ehre dem Braven!“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

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