Mittwoch, 23. Mai 2018

23. Mai 1918



„Auch wenn wir völlig ahnungslos über die Art unserer Verwendung angekommen wären, hätten wir bald genug entdeckt, daß es sich hier nur um Stellungskrieg handeln konnte. Für einen Angriff hätte es zum mindesten ganz umfangreicher Vorbereitungen bedurft, von denen hier nichts zu entdecken war. Außerdem war man allgemein daran, durch Anlage von Stollen sich für Verteidigungskämpfe einzurichten. Damit waren allerdings unsere Vorgänger nicht sehr weit gekommen. Der häufige Wechsel der Truppen mochte daran schuld sein. Die Aussicht auf baldige Ablösung wirkte bekannt-lich auf nichts so lähmend ein wie gerade auf den Stellungsbau.
Unsere Tätigkeit beschränkte sich in der ersten Zeit auf Störungsfeuer. Dies entsprach genau der vom Feind befolgten Kriegführung. Ein Unterschied ließ sich dabei bald feststellen, daß nämlich bei uns wieder einmal an Munition gespart werden mußte. Der Engländer dagegen brauchte auf seine Munitionsstapel keine Rücksicht zu nehmen und legte seiner Schießleidenschaft keine Zügel an. Ein bedauernswertes Opfer seines Feuers war Albert. Fast täglich konnte man an der schönen Stadt neue Spuren feststel-len, und die Kathedrale bot schließlich ein trauriges Bild, das sich jedem von uns fest ins Gedächtnis einprägte.
Dabei kamen unsere Batteriestellungen in keiner Weise zu kurz. Ihre Lage, fast aus-nahmslos an den Westhängen der großen Mulden, waren von den feindlichen Fliegern ziemlich genau festgestellt. Erst begnügte sich der Feind damit, durch einzelne Schüsse die Ruhe der Batterien zu stören. Aber bald war ihm dieses Mittel zu gering. Nun nahm er sich die einzelnen Stellungen allein vor und beschoß eine nach der andern planmäßig. Es war leicht vorauszusehen, daß dies auf die Dauer nicht auszuhalten war. Darum griff man bei uns zu einem unserer besten Mittel, zum Gas.“

aus: „Das Württ. Feld-Artillerie-Regiment Nr. 238 früher Württ. Ersatz-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 65 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1921

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