„Am Ausgang von Grandcourt nach Miraumont stand noch als letzte Reserve des
Regiments die 12. Komp. Schon nachmittags hatte sie einen halben Zug als
Hand-granatentrupp für die „Staufenfeste“ abgegeben, der aber dort nicht mehr
zum Eingreifen kam. Abends löste sie 99er im „Köhlergraben“ ab und traf die
Reste der 7. Komp. Die 8. Komp. besetzte in der Frühe des 30. September den
„Staufenriegel“ hinter ihr; die 5. wurde tags darauf im Nordteil der „Feste
Staufen“ eingesetzt und löste die Reste der 8. Inf.-Division ab. Der 30.
September verlief fast kampflos. Versuche, aus dem „Hessengraben“ heraus den
„Köhlergraben“ anzugreifen, wurden von der 12. Kompagnie rasch erstickt. In der
Frühe des 1. Oktober übernahm der Stab des I. Batl. den „Staufenriegel“.
Marineinfanterie war östlich des „Köhlergrabensׅ“ neben die 26. Res-Division
getreten. Um 3 Uhr nachmittags begann wieder schweres Wirkungs-schießen. Im
schwäbischen Merkur schilderte ein Mitkämpfer den heißen Kampftag.
„Zwei schwere Batterien überschütteten den Köhlergraben mit ihren
Geschossen. In Fetzen fliegt das Drahthindernis. Volltreffer zerstören den
Graben., Explosionen brüllen, zerreißen das Trommelfell. Splitter pfeifen und
schwirren. Der Sanitäts-unteroffizier Kolbe waltet ruhig und unerschrocken
seines Amtes und birgt die Verwundeten im Stollen. Schon füllen sich die
englischen Gräben. Bajonette blitzen über die Brustwehr. Stahlhelm drängt sich
an Stahlhelm. Kampferregt drängt sich die Mannschaft aus den Stollen, den Sturm
abzuwehren. Noch ist es zu früh. Mit derben Worten muß sie der Führer
zurücktreiben, um unnötige Verluste zu vermeiden. Leuchtkugeln fordern von der
deutschen Artillerie Sperrfeuer an, soweit man sieht.
Jetzt bricht der Gegner vor. Heraus! Im Nu ist der Graben besetzt. Ein
Maschinen-gewehr wird in Stellung gebracht. Und aus 100 Feuerschlünden fliegt
dem Engländer der Tod auf blanken Geschossen entgegen. Hei, wie er stutzt,
verdutzt zögert, sich niederwirft und Schutz sucht. Langsam feuern! Bedächtiges
Scheiben-schießen löst das erste erregte Schnellfeuer ab. Wo ein englischer Kopf
sich zeigt, fliegen ihm schwäbische Kugeln um die Ohren. Da versucht uns der
Feind von rechts in den Rücken zu kommen. Die Stellung ist schlecht. Wir können
nicht nach rechts schießen. Einige Gruppen springen aus dem deutschen Graben
heraus, nehmen Front nach dem neuen Angreifer und bereiten ihm das Schicksal
seiner Brüder. Deutsche Artillerie setzt ein. Aber eine Batterie schießt zu
kurz. Leucht-signale zeigen es ihr an. An der Barrikade krachen die
Handgranaten. Vizefeld-webel Frech mit seiner wackeren Schar wehrt alle Angriffe
ab. Wie lange schon? Keiner weiß es. Die Zeit fliegt. Schon geht es dem Abend
zu. Wütend über den mißlungenen Angriff trommelt die englische Artillerie aufs
neue. Der Feind holt zu neuem Stoß aus. Im Laufgraben geht ein
Handgranatentrupp vor. Und uns gehen die Handgranaten zur Neige. Feuer auf die
vorgehenden Engländer! Um-sonst! Gebückt finden sie Schutz im halbzerschossenen
Graben. Eine Kugel zerschmettert dem Kompagnieführer im Anschlag den Arm. Die
Zugführer sind verwundet. Der letzte Offizier übernimmt die Kompagnie. Mit dem
Rest der Handgranaten halten die Tapferen an der Barrikade stand. Einer um der
andere fällt. Die letzte Handgranate! Wehrlos im ungleichen Kampf ziehen sich
die Ver-teidiger zurück. Die Engländer drängen nach bis an den Unterstand, in
dem Verwundete liegen. Mit Handgranaten und Rauchbomben suchen sie die
Be-satzung herauszutreiben. Aber keiner ergibt sich. Sie wissen, daß ihre
Kameraden sie nicht verlassen werden.
Die Lage ist ernst. Vergebens suchen einzelne Gruppen den Graben zu nehmen.
Der Mangel an Handgranaten macht alle Versuche nutzlos. Die Engländer bringen
ein Maschinengewehr in Stellung. Zwei Tapfere, Vizefeldwebel Benz und Gefreiter
Frey suchen es mit Handgranaten zum Schweigen zu bringen. Umsonst! Sie werden
verwundet. Leutnant d. Res. Engelhaaf, der Führer der 8. Komp., erkennt von
hinten die Gefahr, eilt aus dem Nebenabschnitt über das freie Feld zu Hilfe und
bringt den Angriff der Engländer zum Stehen. Als er die letzte Hand-granate
geworfen hat, tötet ihn der Splitter einer englischen. Wieder drängen die
Engländer weiter. Da bringt der Trägertrupp des Regiments neue Munition. Durch
den Tod ihrer Führer gereizt, stürzen sich die Reste der 7., 8. und 12. Komp.
in frischem Ansturm mit Spaten und Handgranaten auf den eingedrungenen Gegner.
Wütendes Handgemenge, Explosionen, blutige Spaten, Schreie, Röcheln. Um 8 Uhr
abends ist der ganze Graben, blutgetränkt, wieder deutsch. An der Barrikade
steht wachsam der Handgranatentrupp und mitleidig breitet die Nacht ihre
dunklen Schleier über die Leiden und Qualen des Tages. Von 175 Mann, mit denen
die 12. Komp. in den Graben gerückt war, bleiben noch 46 übrig.“
In der Nacht zum 2. Oktober wurde die 4. Komp. in Feste Staufen eingesetzt
und die 2. löste die Trümmer der 7. und 12. Komp. ab. Der Gegner hatte seine
Kraft erschöpft und zog neue Stoßdivisionen heran. Der Kampflärm verebbte.
Schwache Angriffsversuche am „Stumppweg“ und an der Barrikade im „Köhlergraben“
wurden mühelos abgewehrt. Mäßiges Streufeuer mit einzelnen Feuerwirbeln
gestattete den Ausbau der zerschos-senen Stellung. Die Munitionsvorräte wurden
ergänzt und die zahlreichen Toten in Granattrichtern beerdigt.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1920
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