„Während
die 26. Res.-Division sich in der Siegfriedstellung einrichtete, fiel dem III.
Bataillon des Res.-Reg. 119 mit der 3. Maschinengewehrkompagnie, der halben 2.
Eska-dron des Ulanenreg. 20, einem Zug der württembergischen Radfahrerkompagnie
und einem Zug der II. Abteilung des Feldart.-Reg. 26 die Sicherung des
Divisionsabschnittes zu. Vorfühlende feindliche Erkundungsabteilungen sollten
abgewiesen, vor stärkeren Kräften ohne ernsten Widerstand auf die
Siegfriedstellung zurückgegangen werden. Ecoust-St. Mein und Noreuil waren die
Stützpunkte der Vorpostenlinie. Wie zwei Boll-werke lagen die Dörfer vor der
Hauptstellung; an ihnen sollten sich die ersten feind-lichen Wellen brechen.
Vom
Morgen des 18. März an waren keine eigenen Truppen mehr vor den Vorposten. Nur
Patrouillen schwärmten gegen den Feind und Ulanen lagen in Mory. Bei Croisilles
standen die Posten der 220. Inf.-Division, bei Lagnicourt die der 2.
Garde-Res.-Division. Ecoust-St. Mein war von der 12. Komp., Noreuil von der 11.
besetzt. An allen Wegen standen Posten und Maschinengewehre, die die zur
Siegfriedstellung ziehenden Mulden bestreichen konnten.
Schon
am 17. März hatten die Engländer Ablainzevelle, Achiet-le-Grand und Biefvillers
besetzt. Am 18. stießen sie weiter vor und erreichten vormittags Hamelincourt,
Ervillers, Béhagnies und Sapignies. Zahlreiche Patrouillen, oft von
Infanteriefliegern begleitet, sah man überall vorgehen. Abgesessene Kavallerie
und Infanterie vermischt, griff in Schützenlinien Mory an und die Ulanen zogen
sich auf Ecoust-St. Mein zurück. Überall flackerte Patrouillenfeuer auf. Tapfer
und furchtlos rauften sich die Schwaben mit den vorstoßenden Australiern. Die
englischen Flieger griffen mit Maschinen-gewehrfeuer in die Kämpfe auf dem
Erdboden ein. Erbost wandten sich die Patrouillen gegen die unbequemen Gegner.
Eine Streifabteilung der 12. Komp. unter dem dreimal schwerverwundeten
Reservisten Adolf Kromer, der sich kaum geheilt immer wieder freiwillig an die
Front gemeldet hatte, und eine andere der 11. Komp. schossen einen feindlichen
Einsitzer ab. Das Flugzeug zerschellte am Boden. Der Insasse war tot.
Ungeachtet der Beschießung durch feindliche Streifen bargen die Schwaben
Briefe, Karten und das Maschinengewehr, das sie kurz zuvor noch beschossen
hatte. Triumph-ierend zogen sie sich damit zurück. Nachmittags sah man
Kavallerie und Infanterie mit Maschinengewehren auf Tragtieren von Frémicourt
auf Beugny vorgehen. Abends besetzte eine feindliche Kompagnie Vaulx-Vraucourt.
Immer näher schob sich der Gegner heran. Seine Kavallerie setzte in der
Morgendämmerung des 19. März ihre Aufklärungstätigkeit eifrig fort. Die Ulanen
nahmen ihr in Patrouillenkämpfen einen indischen Reiter ab. Bisher hatte dem
Gegner die Artillerie noch gefehlt. Nun war es ihm gelungen, sie trotz aller Wegezerstörungen
heranzubringen. Schon feuerte eine Batterie südlich der Zuckerfabrik Vraucourt.
St Léger wurde von Mory aus angegriffen und von der Nachbardivision geräumt. Es
war zu erwarten, daß die Engländer am 20. März versuchen würden, auch Ecoust-St.
Mein und Noreuil zu nehmen. Zahlreiche Patrouillen wurden vorgeschickt, um die
anmarschierenden Engländer rechtzeitig zu erkennen. Gegen 5 Uhr, es war noch
dunkel, stieß eine Patrouille der 7./R. R. 121 unter Leutnant d. Res.
Bittlingmeier auf der Straße Ecoust-St. Mein – Beugnâtre auf einen Halbzug
Engländer, die im Schutze der gefällten Bäume die Straße entlang vorgingen.
Bittlingmeier legte sich in den Sprengtrichter auf der Höhe 111 und eröffnete
das Feuer. Während des Gefechtes sah die Patrouille von Vaulx her dichte
Schützenlinien ankom-men und zog sich, als sie sich verschossen hatte und die
Engländer ein Maschinen-gewehr zum Angriff ansetzten, auf die Feldwache der 12.
Komp. zurück. Inzwischen war es hell geworden. In 4 – 5 Wellen griffen die
Australier an. Die Posten der 12. Komp. eröffneten ein mörderisches Infanterie-
und Maschinengewehrfeuer, das die Angreifer aufhielt. Aber die
Maschinengewehre, die nur 2000 Schuß bei sich hatten, hatten sich schon nach
kurzer Zeit verschossen und die Posten sahen sich genötigt, auf die
gefechtsbereiten Feldwachen zurückzugehen. Von Ecoust-St. Mein aus war die
ganze Gefechtshandlung beobachtet worden. Der Batteriezug Becker, der am
Bahnein-schnitt hinter dem Dorf stand, belegte die vorgehenden Australier mit
Schrapnellen und Granaten und brachte ihre Linien in Verwirrung, ohne sie
aufhalten zu können. Bald hatten sie die Höhe 111 erreicht, den Trichter
besetzt und saßen nun kaum 500 Meter von der im Tal liegenden Ortsbefestigung.
Von St. Léger her aber drohten Kavallerie- und Infanteriepatrouillen mit
Rechtsumfassung. Die Lage war kritisch; denn mit Infanteriefeuer war dem Gegner
nicht beizukommen. Unterdessen waren die Beobachter verschiedener Batterien
beim Führer der 12. Komp., Leutnant d. Res. Seytter, eingetrof-fen. Rasch wurde
Kriegsrat gehalten, die Zielstreifen verteilt und in kurzer Zeit wirksames
Artilleriefeuer gegen die schutzlos auf der Höhe liegenden Australier eröffnet,
dem sie nicht standhielten. Sie flüchteten hinter den Höhenrand und in die
nicht eingesehenen Mulden. Gegen 9 Uhr trat hier Ruhe ein. Munition kam an;
eine Patrouille besetzte wieder den Unteroffizierposten an der Straße nach
Beugnâtre und meldete, daß der Trichter auf der Höhe stark besetzt sei. Gegen
10 Uhr griffen die Australier aufs neue in starken Wellen an, fluteten aber im
gut sitzenden Feuer der Batterien wieder zurück. Nun galt es, den Gegner auch
aus dem Trichter zu vertreiben. Die Artillerie legte starkes Feuer auf ihn und
das dahinterliegende Straßenstück, während eine 20 Mann starke Sturmtruppe in
ihrem Schutze vorging. Zweimal mußten sie im Feuer rechts und links
flankierender Lewisgewehre zurückgehen. Leutnant Seytter schlug nun vor, den
Trichter mit einem 21 cm-Mörser unter Feuer zu nehmen. Bereitwillig ging die
Artillerie auf den Wunsch ein. Schon der zweite Schuß saß in der Nähe des
Trichters und erregte bei der Trichterbesatzung großes Unbehagen. Beim dritten
riß der größte Teil aus und flüchtete. Nur eine starke Gruppe Beherzter hielt
noch aus. Da schlug die vierte Granate mitten in den Trichter und tötete die
ganze Besatzung von 10 Mann. Sofort nahm die Sturmtruppe ihn in Besitz und
beschoß die Mulden, die von hier aus einzusehen waren. Gegen 3 Uhr ging der
Gegner auf der ganzen Linie, teils in Schützenketten, teils in Gruppen zurück
und ließ über 100 Tote vor Ecoust-St. Mein. Leider hatte sich der Zug Becker
völlig verschossen, so daß sich der Gegner unbehelligt zurückziehen konnte. Englische
Krankenträgertrupps mit weißen Flaggen suchten das Gelände ab, bis sie unsern
nachstoßenden Patrouillen auswichen.
Die
11. Komp. in Noreuil war morgens 5 Uhr 45 durch Alarmschüsse ihrer
vorgescho-benen Posten aus der Ruhe gerissen worden. Der Posten auf dem Feldweg
nach Morchies sah in der Dunkelheit, wie eine geschlossene Abteilung gegen den
Dorfein-gang von Lagnicourt her vorging, schoß Alarm und zog sich auf seine
Feldwache am Dorfrand zurück. Ein Unteroffizierposten an der Straße nach
Vaulx-Vraucourt war schon war schon von Süden umgangen, kam aber ebenfalls noch
rechtzeitig mit beiden Maschinengewehren zur Feldwache. Durch Infanterie- und
Maschinengewehrfeuer wurde der Gegner zunächst zum Stehen, dann zum Weichen
gebracht. Eine feindliche Kompagnie, die in der Mulde zwischen Ecoust-St. Mein
und Noreuil vorging, geriet in das Sperrfeuer der Batterien und ging unter schweren
Verlusten in das Wäldchen südwestlich von Noreuil zurück. Auch der
Unteroffizierposten an der Straß nach Vaulx wurde vom Gegner aufgegeben. Zwei
Engländer, die sich zu weit vorgewagt hatten, wurden gefangen. Die
Gefechtspause wurde zur Auffrischung der Munition und zur Verpflegung benützt
und ein Zug der 9. Komp., die in Riencourt lag, kam als Verstär-kung an. Um 10
Uhr kam der zweite stärkere Angriff, der aber im Feuer der Artillerie nach
Vaulx zurückflutete. Ein Teil gelangte wieder bis an den Unteroffizierposten,
in dem sich nun ungefähr 150 Australier festsetzten. Als die Lage geklärt war,
entschloß sich der Führer der 11. Komp., Leutnant d. Res. Löckle, den
aufgegebenen Posten wieder zu nehmen. Um 2 Uhr sollte die Artillerie drei
Minuten Wirkungsfeuer abgeben, worauf eine starke Patrouille ihn stürmen
wollte. Inzwischen beschoß aber die 5. Batterie des Res.-Feldart.-Reg. 26 den
Posten so erfolgreich, daß ungefähr 120 Austra-lier mit vielen Lewisgewehren
flüchteten. Um 2 Uhr setzte die Artillerie schlagartig ein. Feldwebelleutnant
Wolf und Vizefeldwebel Maier gingen mit 20 Mann der 11. Komp. und Unteroffizier
Schrödel mit 8 Mann der 9. Komp. schneidig vor. Die Australier wurden
überrascht. Ein Posten machte sein Lewisgewehr schußfertig. Der „Patrouillen-maier“
ersah die Gefahr. Blitzschnell warf er eine Handgranate, die den Posten schwer
verwundete. Verwirrt hoben die anderen die Hände in die Höhe und ergaben sich.
Mit 25 Unverwundeten, 6 Verwundeten und 3 Lewisgewehren zogen die Stürmer ab. 2
Uhr 15 nachmittags konnte sich die 11. Komp. im Besitz ihrer ganzen Stellung
melden. Auch sie zählte über 100 tote Engländer vor ihrer Front, ohne einen
Mann verloren zu haben. Mit vier Bataillonen hatten die Australier angegriffen
aber das Fehlen ihrer Artillerie rächte sich bitter.
Diese
Erkenntnis kam auch dem Gegner und er griff zunächst nicht mehr an. Nur
Patrouillen versuchten nachts Überfälle auf die Posten, wurden aber leicht
abgewiesen. Vor Ecoust-St. Mein schlichen sich zwei australische Pioniere an,
um den Zustand der Straßen und die Zerstörung in der Gegend Vaulx und Ecoust
festzustellen, wurden aber von Posten der 12. Komp. überlistet und gefangen.
Überall begann sich der Gegner nun einzugraben und schon eröffneten seine
Batterien wirksames Feuer auf Noreuil, während Ecoust nur gelegentlich mit
Streufeuer bedacht wurde. Die Besatzung von Noreuil fing an, unter Wassermangel
zu leiden. In der Aufregung des Gefechtes am 20. März hatte ein Pionier, der
den Auftrag hatte, den einzigen Brunnen zu zerstören, den Kopf verloren und das
Wasser untrinkbar gemacht, so daß es nun von rückwärts herbeigeführt werden
mußte. Unterdessen drängte der Gegner die Vorposten der 2. Garde-Res.-Division
im Süden zurück und griff die nördlich St. Mein stehende 220. Inf.-Division
wiederholt an. Vor der 26. Res.-Division aber baute er sich zunächst in nicht
eingesehenen Mulden ein, um sich der Wirkung unserer Batterien, die ihn schon
einige Mal aus neuen Gräben herausgeschossen hatten, zu entziehen. Ein
Unternehmen der 9. und 11. Komp. auf das Wäldchen südwestlich Noreuil
mißglückte und brachte Verluste. Und nun steigerte sich das feindliche
Artilleriefeuer von Tag zu Tag und zog auch Ecoust immer stärker in seinen
Bereich.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“
Stuttgart, 1922
aus: „Die 26.
(Württembergische) Reserve-Division im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1939
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