Samstag, 27. Mai 2017

27. Mai 1917


„Auf Befehl des Regiments wurde jeder Mann mit drei eisernen Portionen ausgerüstet. In den Stollen der Ausgangsstellung wurde Trinkwasser bereitgestellt. Ebenso wurden Leuchtsatzfeuer ausgegeben, welche nach dem Angriff abzubrennen waren. Weiß be-deutete: befohlene Linie erreicht, rot: befohlene Linie nicht erreicht. Diese Zeichen wurden von den Infanterie-Fliegern aufgenommen und an die hinteren Befehlsstellen gemeldet.
In der Nacht vom 26. auf 27. Mai wurde die Bereitstellung zum Sturm durchgeführt.
Vom Moritzriegel aus marschierte das I. Bataillon in die vordere Linie. Von der Schießbahn nördlich der R 1-Stellung rückte das III. Bataillon heran. 3.30 Uhr vormittags meldete Hauptmann Baumann sowie Major Fetzer, daß die Aufstellung in der Ausgangsstellung vollendet sei. Im Nordabhang des Poehlberges sind von rechts nach links 9., 10. 11. 12. und 5. Kompagnie aufmarschiert, es folgten dann etwas nach Norden zurückgebogen 1., 2., 3. und 4. Kompagnie. 800 Meter nördlich hinter der Mitte der Sturmtruppen lagen die 6., 7. und 8. Kompagnie. Punkt 4 Uhr vormittags begann die Zeitangabe durch Lichtsignale von einem Fesselballon aus. Zu gleicher Zeit begann die Artillerie mit Gasschießen. 5.30 Uhr vormittags prüften die Batterien nochmals das Einschießen für das Ablenkungsfeuer und gingen dann 5.45 Uhr zum Wirkungsfeuer an den Ablenkungsstellen über. Während dieses Ablenkungsfeuers wurde das Einschießen auf das Angriffsziel geprüft. 7.30 Uhr lag das Feuer auf dem Fichtelberg.
Schlag 8 Uhr vormittags begann das Wirkungsschießen gegen das Angriffsziel, an dem sich auch die Minenwerfer beteiligten. Die Kanoniere des Reserve-Feld-Artillerie-Regiments 54, dessen Batterien im Wald südöstlich Pont Faverger standen, schossen im Verein mit ihren Kameraden, was aus den Rohren herausging. Die Erde dröhnte. Es blitzte und krachte, ein toller Lärm war ausgebrochen. Über die Köpfe der Angriffstruppen hinweg sausten die Granaten in die feindlichen Stellungen. Von welcher Wirkung das Feuer war, erfuhr man nachher von einem gefangenen französischen Offizier. Diesem wurde eine für seinen Bataillons-Kommandeur bestimmte Meldung abgenommen, welche lautete:
„Le 27. Mai.
Mon Capitaine!
Nous sommes bombardés d‘ une façon terrible – c’est effroyable!! Nous tenons encore parce que c’est l‘ ordre, mais c’est fou supporter pareille epreuve. J’attende à chaque seconde l’obus qui doit m’enlever la vie et celle de mes pauvres poilus. Nous tiendrons jusqu’au bout a moins d’ordre contraire.“
Mein Hauptmann!
Wir werden auf die schrecklichste Art und Weise beschossen, es ist fürchterlich!! Wir halten noch aus, weil es Befehl ist, aber es ist ohnegleichen, dieses Tolle zu ertragen. Ich erwarte jede Sekunde eine Haubitzenkugel, welche mir und meinen armen Soldaten das Leben auslöscht. Wir werden noch aushalten bis zum Äußersten, sofern nicht Gegenbefehl kommt.
Die feindliche Artillerie erwiderte das Feuer anfänglich nur sehr schwach, um bald darauf vollständig zu verstummen, anscheinend unter der Wirkung unserer Gasgranaten. In die vordere französische Stellung schlugen Granaten und Minen in ununterbrochener Reihenfolge ein. Erdfontänen stiegen gen Himmel.
Leider hatten auch wir während der Vorbereitung Verluste. Eine leichte deutsche Haubitzbatterie schoß von 5 Uhr ab dauernd zu kurz. Dauernd lagen ihre Einschläge vor und hinter dem Graben der 12. Kompagnie, welche dadurch 22 Mann Verluste hatte. Auch der Bataillonsstab III./246 lag unter dem Feuer dieser Batterie. Zwei leichte Maschinengewehre der 12. Kompagnie wurden ebenfalls von derselben Batterie außer Gefecht gesetzt.
Um 9 Uhr wurde das Feuer der Artillerie vorverlegt, die Minenwerfer stellten ihr Feuer ein.
Gleichzeitig brachen die Kompagnien der 1. Welle vor. Schneidig stürmten sie gegen die feindlichen Linien und erreichten alsbald ihr Angriffsziel. Die 2. und 3. Welle folgte unmittelbar dahinter. Mit großer Begeisterung und unter lautem Hurra-Rufen gingen sie vor.
9.06 Uhr hatten die Kompagnie des I. Bataillons ihr Angriffsziel erreicht. Teilweise leistete der Gegner hartnäckigen Widerstand, zum Teil ergab er sich ohne Widerstand. Die 4. Kompagnie (Leutnant Bauer) drang in das Franzosennest ein und nahm 35 Mann gefangen. Viele Franzosen lagen dort tot in den Unterständen. Auch die 1. Kompagnie (Leutnant Kammerer), die 2. Kompagnie (Leutnant Fischer) und die 3. Kompagnie (Leutnant Wiehl) hatten ihr Sturmziel erreicht und lieferten 80 Gefangene ab. Sie erbeuteten zwei französische Maschinengewehre und eine 15 Zentimeter Haubitze (deutsche), welche im Franzosennest in Stellung war. Vor dem Abschnitt des III. Bataillons war der Gegner vom Angriff völlig überrascht worden. Von dem Artillerie-feuer zermürbt, übergab sich die Grabenbesatzung bis auf wenige Ausnahmen. Die französischen Unterstände wurden mit Handgranaten ausgeräuchert. Die Gefangenen eilten ohne Begleitung nach rückwärts und wurden beim Bereitschafts-Bataillon gesammelt. Vom Regiments-Gefechtsstand aus sah man die Gefangenen bereits 9.05 Uhr den Poehlberg herab kommen.
Beim Regiment trafen bis 9.40 Uhr die Meldungen der Sturmbataillone ein, daß die befohlene Linie überall erreicht sei. Zur selben Zeit erschien der Infanterie-Flieger, um die jetzige vordere Linie festzustellen. Durch weiße Leuchtsatzfeuer, Auslegen von Tüchern und durch Blinken mit Spiegel wurde ihm die neue Linie kenntlich gemacht.
Der Sturmangriff war also restlos gelungen und Oberstleutnant Zeller konnte an Brigade und Division melden, daß die befohlene Linie erreicht und von den Sturmtruppen besetzt sei, welche mit Hilfe der zugeteilten Pioniere bereits mit dem Ausbau der Stellung begonnen hätten.
Die 11. und 12. Kompagnie hatten vor ihren Abschnitten einige französische Maschi-nengewehr-Nester, unter denen sie in der erreichten neuen Stellung schwer zu leiden hatten. Um diese Gewehre zu beseitigen, gingen beide Kompagnien an die Säuberung dieser Nester, was ihnen auch gelang. Die Verhältnisse brachten es so mit sich, daß sie über die befohlene Linie hinauskamen und um 600 Meter weiter vorne lagen. Nach vollzogener Säuberung rückten beide Kompagnien wieder zurück.
10.05 Uhr vormittags erhielt Oberstleutnant Zeller Meldung vom I. Bataillon „Gegner hat gegen das I. Bataillon einen Gegenstoß gemacht, vor allem in der Absicht, das Franzosennest wieder zu gewinnen. Der Gegenstoß wurde glatt abgewiesen.“
Die Besetzung im Abschnitt des I. Bataillons war infolge der Verluste sehr dünn geworden. Hauptmann Baumann erbat sich daher Unterstützung vom III./247. Major Mügge sandte daraufhin sofort seine 9. und 12. Kompagnie in Stärke von 70 Mann vor, welche in die Lücke zwischen der 3. und 4. Kompagnie 246 einschwärmten.
Der Franzose konnte es aber noch nicht fassen, daß das Franzosennest für ihn endgültig verloren sein sollte. Bereits 11.20 Uhr vormittags traf vom I./246 die Meldung beim Regiment ein: „Zwei weitere Gegenangriffe gegen Franzosennest abgewiesen. Ver-stärkung auf dem linken Flügel bei der 4. Kompagnie dringend erbeten. Außerdem sollte zur Abwehr weiterer zu erwartender Gegenangriffe noch ein Maschinengewehr der 4. Kompagnie zugeteilt werden.“
Auch beim III. Bataillon hatte sich die Lage sehr verschärft. Der Angriff über die befohlene Linie hinaus hatte schwere Opfer gekostet. Um die Mittagsstunde war beim III. Bataillon außer Leutnant Schühle kein Offizier mehr in vorderer Linie. Leutnant Hupfer, Leutnant Hezler, Feldwebel-Leutnant Gastel waren verwundet. Leutnant Huber war gefallen. Eine Verbindung mit dem Bataillons-Stab war nicht möglich.
Die 6. Kompagnie (Leutnant Lempp) war mit Vorschaffen von Handgranaten und Munition beschäftigt. Als sie um 10 Uhr vormittags in der vorderen Linie anlangte, erhielt sie von Major Fetzer Befehl: „Gefahr droht von rechts, die Kompagnie hat die rechte Flanke in Richtung von der Bombenschlucht zu sichern.“
In schwerstem Artilleriefeuer von Granatloch zu Granatloch springend und immer wieder seine Leute aufmunternd, kam Leutnant Lempp diesem Befehl nach. Im Hagel der Geschosse von einem Splitter getroffen, fiel der Tapfere. Feldwebel-Leutnant Majer übernahm die Kompagnie und führte den Flankenschutz durch.
Das Kommando über die vordere Linie übernahm als noch einzig übrig gebliebener Kompagnie-Führer Leutnant Schühle. Zunächst deckte er seine rechte Flanke durch zwei Maschinengewehre. Dann teilte er die Kompagnie-Abschnitte ein und bestimmte neue Führer. Auch nach links gelang es ihm, Anschluß zu erreichen. Es wäre nun die allererste Gefahr gebannt gewesen. Nun rückten aber die Mannschaften des Sturmtrupps des A. O. K. 3, sowie die Pioniere aus der Stellung ab. Sie gaben an, sie hätten nur Befehl, den Sturm mitzumachen, nach erfolgtem Sturm sich aber hinten wieder zu sammeln. Es war nicht möglich, diese Leute zu halten, sie beriefen sich andauernd auf einen schriftlichen Befehl ihres Führers.
Die Lage am Poehlberg begann ernst zu werden. 11.25 Uhr vormittags teilte die Brigade dem Regiment mit, daß der Gegner am Westhange des Poehlberges angreife und unsere Infanterie zurückgehe. Die Meldung schien von Fliegern oder Fesselballonbeobachtern zu stammen. Es handelte sich hierbei wahrscheinlich um die Rückwärtsbewegung der 11. und 12. Kompagnie, welche auf das Sturmziel zurückgingen, nachdem sie die Gräben und Maschinengewehr-Nester vor ihrer Front gesäubert hatten.
11.30 Uhr verlangte Major Fetzer heftigstes Vernichtungsfeuer gegen Keilberg und Jagstfelder Wäldchen, da aus dieser Richtung ein Gegenangriff auf sein III. Bataillon im Gange war.
Oberleutnant Sautter rief telephonisch eine Batterie nach der anderen zu diesem Vernichtungsfeuer heran. Oberstleutnant Zeller befahl Major Baumann eine Kompagnie des II./246 zur Verstärkung an Major Fetzer abzugeben, worauf sofort die 8. Kompagnie nach der vorderen Linie in Marsch gesetzt wurde. Drei Gegenangriffe wurden glatt abgewiesen. Die in vorderer Linie liegenden Leute waren voller Zuversicht und freuten sich ihrer Überlegenheit über den Gegner. Die leichten Maschinengewehre arbeiteten zuerst gut, doch traten nach einiger Zeit Hemmungen an den Gewehren ein, welche die Leute, noch nicht so recht vertraut mit der Waffe, nicht mehr richtig beseitigen konnten. Die leichten Maschinengewehre waren nämlich erst kurz vor dem Sturmtag an die Kompagnien ausgegeben worden.
Der Gegner griff nun zu einem anderen Verfahren. Er schickte Stoßtrupps vor, beste-hend aus Handgranatenwerfern und Gewehrgranatenschützen. Aus verdeckter Stellung warfen sie mittels Schleudern Handgranaten 60 Meter weit, während die Gewehr-granaten bis auf 100 Meter weit reichten. Durch diese beiden Waffen waren sie unseren Leuten überlegen und fügten uns große Verluste zu. Trotzdem wurde unsere Linie gehalten. Handgranaten und Gewehr-Munition gingen allmählich zur Neige. Führer und Leute setzten alles ein, um die Linie bis zum äußersten zu halten.
11 Uhr vormittags traf ein Zug der 7. Kompagnie unter Vizefeldwebel Schweizer zur Verstärkung ein und wurde dem Führer der 5. Kompagnie (Leutnant Brantner) und der 1. Kompagnie (Leutnant Kammerer) zur Verfügung gestellt, da der Abschnitt des I. Bataillons zunächst am meisten bedroht war. Feldwebel-Leutnant Raith wurde mit der 8. Kompagnie auf dem rechten Flügel eingesetzt.
Die Lage wurde immer ernster, da auch die vorne eintreffenden Verstärkungen des II. Bataillons sofort große Verluste erlitten.
Ein neuer Angriff gegen das I, Bataillon wurde durch den Zug Göhner abgewiesen.
12.25 Uhr nachmittags traf ein Lichtspruch beim Regiment ein: „Ein französisches Geschütz erobert. Fetzer.“
12.30 Uhr nachmittags meldete I./246:

  1. Linie ist fest in unserer Hand.
  2. Es besteht durchlaufender Graben. Anschluß rechts durchlaufend bis II./246 vorhanden. Anschluß links an 4./246.
  3. Feindliches Feuer hauptsächlich auf der sogenannten Sturmausgangsstellung.
  4. Eben, 12 Uhr mittags, am linken Flügel Angriff von etwa 40 Mann abgeschlagen. Rest blutige Verluste und zum geringen Teil zurückgegangen.
  5. Maschinengewehr-Munition dringend erforderlich.
gez. Baumann
12.40 Uhr nachmittags: Lichtspruch an Regiment:
„Sofort Verstärkung (eine Kompagnie mit reichlich leichten Maschinengewehren für die 1. und 9. Kompagnie in vorderer Linie. Bereitschaft Major Baumann aufgebraucht.“
gez. Fetzer.
Meldungen von vorne kommen, insbesondere vom rechten Angriffsabschnitt, nur spär-lich, denn die Funkerstation hatte keine Akkumulatoren, Lichtsignalstation I ist beschä-digt, Lichtsignalstation II ist noch im Bau. Die Telephonleitungen sind zerstört. Verbindung zum Regiment ist nur durch Meldegänger und Läuferkette, die über II./246 (Major Baumann) gehen, vorhanden. So kam es, daß erst 12.55 Uhr nachmittags eine Meldung des III. Bataillons einging, lautend:
„Befohlene Linie erreicht, mit geringen Verlusten. Viele Gefangene.“
gez. Fetzer.
Diese Meldung ging 9.20 Uhr vormittags durch Funkspruch ans Regiment ab, blieb aber anscheinend unterwegs hängen.
Die Mittagsstunde war gekommen, die heißen Strahlen der Sonne brannten unerbittlich auf die im Kreideboden liegenden Stürmer. Im Gaumen klebte die Zunge, die Verwun-deten riefen nach Wasser, aus aufgefundenen französischen Feldflaschen konnte ihnen Wein als Labung gereicht werden.
Um 1 Uhr nachmittags konnte Oberstleutnant Zeller an die Brigade melden:
„Die befohlene Linie ist im ganzen Abschnitt erreicht. Im rechten Abschnitt lag Bataillon Baumann (I./246), verstärkt durch Teile des II./246 und zwei Kompagnien III./247. Hier wird die befohlene Linie gehalten. Im linken Abschnitt steht das III./246 mit Verstärkungen des II./246 vorwärts der befohlenen Linie. Den Befehl in vorderer Linie führt als einziger unverwundeter Offizier Leutnant Schühle, seine Unterabschnitte befehlen Vizefeldwebel Widmaier, Vizefeldwebel Stegmayer. Sie halten die Höhe bei Punkt 86. Anschluß ist überall vorhanden, wenn auch teilweise nur durch Patrouillen. Stimmung der Truppe ist zuversichtlich, mit neuen Gegenangriffen muß gerechnet werden.“
1.10 Uhr nachmittags meldete Major Fetzer, daß seine vordere Linie aus Richtung Fichtelberg starkes Maschinengewehrfeuer erhalte. Bei dem empfindlichen Flanken-feuer sei eine Verbindung zur Ausgangsstellung und zur errungenen Linie sehr schwierig, zeitweise direkt unmöglich. Er bat um Abhilfe, diese Maschinengewehre möchten durch Artilleriefeuer solange niedergehalten werden, bis zwei Laufgräben nach vorne gegraben seien. Er forderte dringend Handgranaten und Maschinengewehr-Munition an.
Beim Regiments-Stab wurde fieberhaft gearbeitet. Jede nur irgend wie erreichbare Batterie wurde von Oberleutnant Sautter herangezogen, um der Infanterie der vorderen Linie Erleichterung zu schaffen. Der Maschinengewehr-Offizier des Regiments, Oberleutnant Schneckenburger, hatte alle seine Gefechtsstaffeln unterwegs, um seine drei Maschinengewehr-Kompagnien mit Munition und sonstigem Zubehör zu versehen. Die Maschinengewehr-Munitionswagen waren fortwährend unterwegs, Reserveschützen brachten Patronenkasten durch das feindliche Sperrfeuer. Alles war nur von dem einen Gedanken beseelt, den Erfolg des Vormittags zu halten.
2.30 Uhr nachmittags sandte das Regiment 247 in treuer Waffenbrüderschaft sein I. Bataillon unter Hauptmann Ernst zu Hilfe, nachdem sein Bataillon Mügge (III./247) schon seit den Vormittagsstunden in der vorderen Linie der 246er eingeschwärmt war. 2. und 4. Kompagnie wurden Major Baumann unterstellt, während 1. und 3. Kompagnie zunächst im Moritzriegel blieben.
Gegen 4 Uhr nachmittags traf Meldung des III./246 ein: „Von rechts nach links kommen immer neue Hilferufe. Gegner hat dreimal Gegenangriffe gemacht und ist abgewiesen. Kämpfende Truppe ist erschöpft. Habe keine Reserven mehr in der Ausgangsstellung. Sofortiges Nachschieben in die Ausgangsstellung. Ablösung heute Nacht ist notwendig, sonst kann der ganze schöne Erfolg wieder verloren gehen. Bitte um schleunigste Rückmeldung an Division. Alle Mittel zu melden haben versagt oder sind verbraucht. Abgesehen von Meldeläufern, die durch schweres Feuer müssen.“
gez. Fetzer.
I./246 meldete gleichzeitig:
„Die 4. Kompagnie meldet, daß sie ihren Abschnitt mit 34 Mann besetzt hält. Sie hält diese Besatzung für zu schwach und hat um Verstärkung gebeten. Gegner zieht gegen unseren linken Flügel (4. Kompagnie) Verstärkungen heran. Es ist beobachtet worden, wie Abteilungen in Stärke von Zügen in Laufgräben in der Richtung auf unseren linken Flügel sich heranschieben. Um Vernichtungsfeuer wird gebeten.“
gez. Baumann.
Beide Meldungen wurden unverzüglich an die Brigade und an die Artillerie weitergegeben.
4.35 nachmittags meldete Regiment an Major Fetzer:
„Die Division ist damit einverstanden, daß die alten deutschen Gräben genommen worden sind. Da die Ausdehnung größer, müssen nun mehr Truppen vorne eingesetzt werden. Ablösung heute Nacht noch nicht möglich. Major Baumann übernahm Befehl über den ganzen Poehlbergabschnitt.“
Die 5. Nachmittagsstunde brachte die Krisis des Tages. 4.50 Uhr nachmittags meldete I. Bataillon:
„Rechts geht die 5. Kompagnie zurück. Sofort Verstärkung.“
gez. Baumann.
5.03 Uhr nachmittags kam Meldung des III. Bataillons:
„Höchste Gefahr. Verstärkung, Handgranaten, Munition.“
gez. Fetzer.
5.15 Uhr nachmittags I./246 an Regiment:
„In vorderster Linie im Abschnitt der 12. Kompagnie am Südostabhange des Poehlberges, fangen die Franzosen an, den Graben aufzurollen. Unsere Leute sind infolge Handgranaten- und Gewehrmunitions-Mangel nicht imstande, dem Gegner wirksam entgegen zu treten. Vor der Front des III. Bataillons hat der Gegner – besonders in dem dortigen Stützpunkt – eine Nebelwolke entwickelt, hinter der er zum Angriff vorging. 2. Kompagnie hat Handgranaten nach rechts durchgegeben.“
gez. Baumann.
Auch III./247 meldete:
„Feindliche Verstärkungen seit zwei Stunden im Anmarsch gegen Franzosennest gemeldet. Ich setze meine Reserve, 11. Kompagnie (25 Mann), in alter Batterie-Stellung ein.“
gez. Mügge.
Als Verstärkung rückte Leutnant Gerber mit dem Rest der 8./246 auf den rechten Flügel des III. Bataillons.
Infolge dauernden Druckes war der rechte Abschnitt auf den ersten feindlichen Graben zurückgegangen. Wenn nicht Verstärkung in ausreichendem Maße eintraf, so war zu befürchten, daß die Besatzung auf die Sturmausgangsstellung zurückgedrängt würde. Major Fetzer erkannte die Gefahr, es hielt in nicht mehr auf seinem Gefechtsstand. Er glaubte, daß jetzt sein Platz in der vordersten Schützenlinie sei. Er setzte sich mit seinem Adjudanten (Leutnant Keppler) und seinen Ordonnanzen in Marsch und schwärmte mit seinem Stab in die vordere Linie ein. Nach kurzer Besprechung mit den Führern beschloß er, einen letzten Sturm zu wagen, um das verlorene Gelände wieder zu erobern. Rasch wurde die Sturmwelle aufgebaut. In der Mitte befehligte Major Fetzer, links Leutnant Schühle, rechts der Bataillons-Adjudant, Leutnant Keppler. Major Fetzer riß das Bataillon hoch und stürmte mit ihm vor, an dem ersten französischen Graben erklang seine Stimme: „Auf zum Sturm“. Da sank der Tapfere, von einer feindlichen Kugel in den Kopf getroffen, wie eine gefällte Eiche zu Boden. Der Tapfersten einer war gefallen, an der Spitze seines Bataillons, wie er es sich oft geträumt hatte. Ein Feld-soldat von echtem Schrot und Korn war dahingegangen, sich opfernd im Dienste seines heißgeliebten Vaterlandes. Der Tod ihres Führers zerschlug die Kraft der Stürmer, niedergeschmettert fluteten sie zurück. Den beiden noch befehligenden Offizieren gelang es nicht, die Truppe zu halten. Mit Mühe sammelten sie die Leute in der Ausgangsstellung und hielten dort den nachdrängenden Feind auf.
Während dieser Zeit meldete Major Baumann an Regiment:
„Wenn nicht sofort Verstärkung, können wir nicht halten, alles verloren. Artillerie vermehrt einsetzen und zulegen.“ Ferner: „Vordere Linie ist in Ausgangsstellung, Regiment verblutet.“
gez. Major Baumann.
Wenn es möglich gewesen wäre, die Kräfte des Regimentsstabes noch mehr anzufeuern, so hätte es diese Meldung getan. Oberstleutnant Zeller riß alle noch verfügbaren Infanteriekräfte an sich und entsandte sie als Verstärkung nach vorne. Oberleutnant Sautter rief die Artillerie zu neuem und stärkerem Feuer. Die Kanoniere taten was sie konnten, in Hemdsärmeln standen sie an ihren Geschützen, um ihren Kameraden von der Infanterie zu helfen. Aber schon machte sich bei einzelnen Batterien Munitions-mangel bemerkbar. Im grellsten Sonnenschein rasten Munitionskolonnen über die Ebene zwischen der Suippes und den Champagne-Bergen und brachten alles, was an Granaten und Schrapnells noch erreichbar war, in die Feuerstellungen.
Aber es war zu spät. Die Kraft der Infanterie war infolge unsäglicher Anstrengungen erloschen. Die Bataillone waren zu Schlacke ausgebrannt. Es fehlte vor allem an Führern in der Kampflinie. Einer um den andern fiel tot oder verwundet aus.
Auf einen Befehl des Regiments, den genauen Verlauf der vorderen besetzten Linie festzustellen, sandte Major Baumann eine Offiziers-Patrouille zum Gefechtsstand von Major Fetzer vor. Der Gefechtsstand war leer, der Bataillonsstab lag in der Feuerlinie und kämpfte als letzte Verstärkung mit der Waffe.
Das I./246 bat das Regiment um Kampfflieger, da seine Kompagnien dauernd durch Maschinengewehrfeuer feindlicher Flieger belästigt wurden.
Die 4. Kompagnie wurde vom Gegner in ihrer linken Flanke gefaßt, wies den Angriff aber ab. Fest hielt Leutnant Bauer das heiß umstrittene Franzosennest in seiner Hand und ließ es sich nicht entreißen. Aus einem Unterstand wurden nochmals 30 unver-wundete Franzosen herausgeholt.
Im rechten Abschnitt führte der Gegner keine Gegenstöße mehr aus. Es war doch jetzt etwas ruhiger geworden.
Im linken Abschnitt standen die Kompagnien immer noch im Abwehrkampf, sie hielten restlos die am Morgen erstürmte Linie.
9.35 Uhr nachmittags erhielt das Regiment durch Major Baumann die Meldung:
„Major Fetzer 5.45 Uhr nachmittags gefallen.“
Gegen 11 Uhr nachmittags trafen Meldungen des I. und II. Bataillons ein, welche unbedingt Ablösung verlangten, da es unmöglich sei, die Stellung mit der bis zum letzten abgekämpften Truppe zu halten.
Im Abschnitt des III. Bataillons lag jetzt Leutnant Schühle mit den Resten des III. Bataillons auf dem rechten Flügel, links lag Feldwebel-Leutnant Majer mit seiner 6. Kompagnie, anschließend an diese hatte Leutnant Brantner mit seiner 5. Kompagnie Anschluß an das I. Bataillon.
Die vordere Linie verlief nun im rechten Abschnitt etwa 200 Meter vor der Sturm-Ausgangslinie (etwa 350 Meter nördlich hinter der Linie, welche hätte erreicht werden sollen). Im Abschnitt links (I. Bataillon) wurde die befohlene Linie, welche durch den Sturm erreicht werden sollte, gehalten.
Wenn auch die eroberte Linie nicht im vollen Umfang gehalten werden konnte, so war der Sturm auf den Poehlberg doch als ein schöner Erfolg zu bezeichnen. Neben der Eroberung der feindlichen Linie mit dem Stützpunkt „Franzosennest“ im Abschnitt C wurden über 270 Gefangene gemacht und mehrere Schnelladegewehre erbeutet. Mit der Wegnahme des Franzosennestes fielen auch einige alte deutsche Geschütze, jedoch unbrauchbar, da ohne Verschlüsse, wieder in deutsche Hand.
Die Gefangenen gehörten den französischen Regimentern 101 und 130 (124. I. D.) an.
Sämtliche vorgesetzten Dienststellen hatten sich über die Leistungen des Regiments während und nach dem Sturm sehr lobend ausgesprochen.
Die Verluste vom 27. Mai 1917 betrugen:
Gefallen: 4 Offiziere (Major Fetzer, Leutnant Lempp, Leutnant Huber und Leutnant Hezler), 1 Offizier-Stellvertreter (Mayer), 58 Unteroffiziere und Mannschaften.
Verwundet: 11 Offiziere (Leutnant Merz, Höpfer, Ziegler, Stätter, Gerber, Wiedmaier, Hupfer, Rath, Lutz, Feldwebel-Leutnant Gastel, Raith), 2 Offizier-Stellvertreter (Braun und Zepf), 294 Unteroffiziere und Mannschaften.
Gaskrank: 2 Offiziere (Leutnant Pfannmüller, Bihler).
Nervenschock: 21 Unteroffiziere und Mannschaften.
Vermißt: 24 Unteroffiziere und Mannschaften.
Gesamtverlust: 20 Offiziere und Offizier-Stellvertreter, 397 Unteroffiziere und Mann-schaften.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 246 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1931

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen