„Im
Stellungsdienst zogen die Bataillone umschichtig nach 36tägiger Stellungszeit
ins Braunschweiger Lager, um für 18 Tage des Schanzens, der Ruhe und der
Ausbildung zu pflegen. Mehrfach wurden in dieser Zeit in der Stellung
entwichene russische Kriegs-gefangene am Drahthindernis aufgegriffen, welche zur
Landaufteilung in die Heimat strebten. Sonst ereignete sich wenig Neues in
dieser Zeit. Der Feldwebel verließ am 1., 11. und 21. des Monats sein
Geschäftszimmer, stellte mit schweißbedeckter Ledertasche sich seiner Kompagnie
vor, zahlte in Papier- und Eisengeld die fürstliche Löhnung aus und pries den
Segen der Sparmarken und der Hinterbliebenenstiftung des Regiments und mit ihm
trat in Wettbewerb der Vertrauensmann der Kompagnie, der für die 7. Kriegsanleihe
Zeichner warb. Der Radfahrer brachte täglich die Befehl, Rapporte und
Unterschriften, der Postfasser brachte die Grüße der fernen Heimat und leerte
den Briefkasten. Auf den Tagesbefehl mußte man wegen Mangel an Elementen
verzichten, dagegen brachten die Zeitungen stolze Kunde von den
Abwehrschlachten im Westen, aber leider auch belästigende Nachricht von dem
Gegreine der Flaumacher und Mies-macher, lichtscheuen Treiben der Hamsterer,
Schieber und Kriegswucherer, dem Partei-zank über Wahlrecht, Parlamentarisierung
und Neuorientierung, den Kriegszieldebatten über Hunger-, Verzicht,
Verständigungs- Macht- und Sicherungsfrieden. So war man, abgesehen vom Brief-
und Zeitungsverkehr, abgeschnitten von der Welt.
Die
beiden nächsten Bahnstationen Rogozno und Turysk waren nur mühselig zu
erreichen. Regelmäßig bestiegen die glückstrahlenden Urlauber – in Twerdyn
entlaust – nach Abgabe des Gewehrs, Stahlhelms, der Gasmaske und Patronen, in
Adamowka mit hochbepacktem Tornister die Feldbahn, um über Turysk in Kowel den
Militärurlauber-zug (Muz) zu erreichen, der sie in rascher, 29stündiger Fahrt,
nach der Umsteigestation Halle a. d. Saale brachte, wo man im Berliner
Schnellzug Anschluß fand. Nach 21, später der Kohlennot wegen schon nach 18
Tagen, kehrten sie von Stuttgart in 40stün-diger Fahrt ab Frankfurt zur
Kompagnie zurück.
Das
Jahr 1917 brachte dem Heer empfindliche Einschränkungen zumal an „ruhigen“
Fronten. Die Abendkost vereinfachte sich schließlich auf 125 Gramm Marmelade –
„sie erhält uns auf dem Tugendpfade und keiner sieht nach fremder Wade“ –
Frische Wurst (90 Gramm) und Butter (55 Gramm) erinnerten noch gelegentlich an
bessere vergan-gene Zeiten. es bedurfte daher der vollen Hingabe der
Küchenmannschaft, sowie der unermüdlichen Mitarbeit der Vorgesetzten und der
Küchenkommission, um durch möglichste Abwechslung und Schmackhaftigkeit zu
ersetzen, was an Menge abging. Die Teeportion war von 2 – 3 Gramm auf ½ Gramm,
die Kaffeeportion von 20 auf 10 Gramm herabgeglitten; Zigarren und Zigaretten,
je zwei Stück täglich, und ein Schluck kriegsmäßiger Branntwein halfen die
Mühsal des Alltags vergessen. Die Ernte des Jahres 1917 war gut, und so
bewilligte uns der Leiter des Kriegsernährungsamts wieder 600 Gramm Brot und
300 Gramm Kartoffeln. Mit Kartoffeln wurden nun auch die Pferde durchgefüttert
bei der Heu- und Haferknappheit.
Allmählich
änderte sich das Bild und die Zusammensetzung der Kompagnien. Zwar waren die
Verluste gering. 15 Angehörige des Regiments wurden auf dem Soldaten-friedhof in
Twerdyn beerdigt, 8 Verwundete starben im Feldlazarett. 2 Offiziere, 61
Unteroffiziere und Mannschaften schieden infolge Krankheit und Verwundung
dauernd aus. Über 100 Mann wurden zum Bezirkskommando entlassen um in der
Rüstungs-industrie zu arbeiten. Manche wurden als Väter zahlreicher Kinder oder
letzte Söhne der Eltern zum Feldrekrutendepot versetzt.“
aus: „Das Württembergische
Reserve-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922
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